Text und Begründung
In den letzten Jahren sind die Ressourcen für die Verstärkten Massnahmen (VM) an der Volksschule stark angewachsen. Eine Zunahme der VM-Stunden zeigt sich v.a. im Bereich der integrativ geschulten Kinder und Jugendlichen mit einer erheblichen sozialen Beeinträchtigung.
Um dem politischen Auftrag nachzukommen und Kosten einzusparen bzw. um die Mengenausweitung der VM-Ressourcen zu beschränken, führt der Kanton ab Schuljahr 2018/19 eine Systemänderung ein. Statt wie bisher individuell pro Fall Ressourcen zu sprechen, werden die VM-Ressourcen in den Behinderungskategorien «Sprechen und Sprache», «soziale Beeinträchtigung» und «tiefgreifende Entwicklungsstörung» den Schulen pauschal nach Schülerzahlen zugeteilt (Komponente 1).
Der Gesamtpool wurde jedoch nicht auf der Basis der bewilligten VM-Ressourcen 2017/18 festgelegt, sondern auf dem niedrigeren Stand von 2016/17 angesetzt, bei gleichzeitig steigenden Fallzahlen.
Der VM-Pool einer Schule wird ab Schuljahr 2018/19 rein schülerzahlabhängig ermittelt. Die Schülerzahl jeder Schule (exkl. Bezirksschule) wird mit einer VM-Pauschale multipliziert; das ergibt das VM-Lektionenkontingent der Schule. Pro Schule soll ein Erfahrungswert miteingerechnet werden. Die Grundlagen dieses Erfahrungswerts sind jedoch weder geklärt noch beschrieben und deshalb unbekannt. Bei der schülerabhänigen VM-Vergabe handelt es sich um eine Übergangslösung bis 2020 zur Einführung der Neuen Ressourcierung Volksschule (NRVS).
Dass der Kanton die Kostenentwicklung mit dieser Systemänderung à la Giesskannenprinzip eindämmen will, ist nicht bedarfsorientiert und mit den gesetzlichen Rahmenbedingungen zur Förderung von beeinträchtigten und behinderten Menschen nicht zu verantworten. Ein optimaler Ressourceneinsatz ist nicht möglich. Die mechanische Zuteilung führt zu einer Gerechtigkeit aus Sicht der Verwaltung, aber nicht aus Sicht der Betroffenen. In der Praxis schwankt die Anzahl auffälliger Kinder pro Schule. Daher ist eine bedarfsgerechte Feinsteuerung einer pauschalen Zuteilung vorzuziehen. Denn Ressourcen an Schulen zu verteilen, die sie in diesem Masse nicht benötigen, ist eine Verschwendung von Steuergeldern.
Eine bedarfsgerechten Feinsteuerung ist einer pauschalen Zuteilung vorzuziehen.
Der gesetzliche Auftrag lautet wie folgt:
· Bundesverfassung (BV)
Die BV gewährleistet in Art. 19 einen unentgeltlichen und ausreichenden Unterricht.
Im Art. 18 ist die Gleichheit vor dem Gesetz garantiert.
Es ist nicht erlaubt, Menschen wegen ihrer sozialen Stellung, wegen einer geistigen, körperlichen oder psychischen Behinderung zu benachteiligen oder zu diskriminieren. Wenn Menschen durch eine Behinderung benachteiligt sind, stehen ihnen Massnahmen zu, welche diese Benachteiligungen beseitigen. Das heisst, behinderte Kinder und Jugendliche benötigen eine adäquate Förderung. Diese ist in unserem Schulsystem durch entsprechende Fachpersonen und die notwendigen Zusatzressourcen in der Regelschule (Integration) oder durch Sonderschulen (Separation) garantiert.
· Betreuungsgesetz
Das Betreuungsgesetz legt in Abs. 1 fest, dass Menschen mit besonderen Betreuungsbedürfnissen mit einem bedarfsgerechten Angebot unterstützt und gefördert werden, um sie sozial zu integrieren. Im Weiteren fordert Abs. 2, dass den Grundsätzen der Wirksamkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit Rechnung getragen wird. Dies führt in der Schulpraxis dazu, dass nach Möglichkeit Kinder und Jugendliche integrativ geschult werden. Auch die VO Sonderschulung fordert dies, was im standardisierten Abklärungsverfahren (SAV) bei einem Verdacht einer Behinderung bedeutet, dass immer zuerst nach Möglichkeiten gesucht wird, ein Kind integrativ zu schulen, bevor es separiert wird.
Häufig fehlen auch einfach die Plätze in Tagessonderschulen, um die Kinder adäquat zu fördern. Fehlen die Plätze, bleiben die Kinder in der Regelschule.
Fragen:
1. Das BKS stellt fest, dass die Zahl der Kinder mit VM-Lektionen in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Welches sind, gemäss dem Regierungsrat, die Gründe für den kontinuierlichen Anstieg der VM-Lektionen?
2. Da die bereitgestellten Ressourcen auf Basis des Schuljahrs 2016/17 und die Fallzahlen in der Zwischenzeit angestiegen sind, kann der aktuelle Bedarf nicht mehr in selbiger Weise abgedeckt werden. Geht der RR davon aus, dass heute zu viele VM-Lektionen unterrichtet werden?
3. Wie könnte ein möglicher Anpassungsmechanismus an einem gesteigerten Bedarf aussehen?
4. Geht der Regierungsrat davon aus, dass der Bedarf an VM-Lektionen mit einem Anteil von nur 2% an der Gesamtlektionenzahl statistisch gleichverteilt ist?
5. Mit welcher Begründung wird eine pauschale Zuteilung einer bedarfsgerechten Feinsteuerung vorgezogen?
6. Was geschieht mit pauschal zugeteilten Lektionen, die vor Ort nicht benötigt werden? Wie kann den Schulen mit erhöhtem VM-Bedarf, denen mit der pauschalen Zuteilung Lektionen fehlen, erklärt werden, dass Schulen, die aus Bedarfssicht mehr Lektionen benötigen, keine Lektionen bekommen, weil andere Schulen die aus Bedarfssicht keine oder weniger Lektionen brauchen, unabhängig davon zusätzliche Lektionen erhalten?
7. Wie begründet der RR, dass auf der Sek 1 die Bez-Schüler bei der Pauschalberechnung nicht berücksichtigt werden. An der Primarschule werden schliesslich auch alle Schülerinnen und Schüler gerechnet, also auch die zukünftigen Bez-Schüler.
8. Die VM-Ressourcierung ab 2018/19 ist keine Übergangslösung, sondern eine Vorwegnahme der NRVS im Bereich der VM-Ressourcierung. Wieso wählt der Regierungsrat diese Vorgehensweise?
9. Wieso setzt der Regierungsrat diese Massnahme zu einem Zeitpunkt um, wo die Schulen noch keine Möglichkeiten haben durch Ressourcenverschiebungen Härtefälle abzufedern?
10. Wie kann der Regierungsrat sicherstellen, dass das standardisierte Abklärungsverfahren (SAV) im ganzen Kanton gleichwertig angewendet wird?
11. Wie gewährleistet der Regierungsrat, dass der durch das SAV ausgewiesene Anspruch des Kindes auf VM auch dann gewährleistet wird, wenn das Kind den Schulstandort beispielsweise während dem Schuljahr wechselt und die aufnehmende Schule keinerlei Reserven bilden konnte?
12. Ist der Regierungsrat der Meinung, dass der Schulpsychologische Dienst zu viele VM-Lektionen spricht?
a) Wenn ja, was sind die Gründe dafür?
b) Gibt es regionale Unterschiede bei der Sprechung von VM-Lektionen durch die jeweiligen SPD-Standorte?
13. Wie stark unterscheiden sich heute die VM-Lektionen an den Schulen?
a) Wie viele Schulen benötigen heute keine VM-Lektionen?
b) Wie viele Schulen benötigen mehr als 2% der Gesamtlektionenzahl (Unterscheidung Primar- und Oberstufe)?
14. Das Credo ist Integration vor Separation. Die aktuelle Situation löst Verunsicherung bei Eltern aus. Wie kann die Regierung gewährleisten, dass Integration wirklich vor Separation stattfindet und das die Pauschalisierung der VM-Lektionen nicht einer Erhöhung der Sonderschulungsquote bewirkt?