Interpellation SP-Fraktion (Sprecherin Gabriela Suter, SP, Aarau) vom 27. November 2018 betreffend Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von häuslicher Gewalt

Text und Begründung:
Die eidgenössischen Räte haben im Mai 2017 die Ratifizierung der sogenannten Istanbul-Konvention
(Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt an Frauen und häuslicher
Gewalt vom 11. Mai 20111) genehmigt. Die Konvention zielt darauf ab, jegliche Form von Gewalt
gegen Frauen, einschliesslich häuslicher Gewalt, zu verhüten, zu bekämpfen und zu verfolgen.
In Artikel 2, Abs. 2, werden die Vertragsparteien ermutigt, das Übereinkommen auf alle Opfer häuslicher
Gewalt anzuwenden.

Die Schweiz verfügt in zivil- und strafrechtlicher Hinsicht bereits über die notwendigen Gesetzesgrundlagen.
Die Umsetzung der Präventions- und der Schutzbestimmungen für Opfer fällt laut Bundesrat
zu einem grossen Teil in die Kompetenz der Kantone.

Gemäss AFP 2019-2022, S. 195, sind die polizeilichen Interventionen bei häuslicher Gewalt im Kanton
Aargau in den Jahren 2015 bis 2017 weiter von 1’434 auf 1’638 gestiegen (Quelle: Bericht Polizeiliche
Sicherheit. Kanton Aargau. 2017, S. 33). Die Leistungsverträge (2015-2018) mit der Frauenzentrale
zur Führung der Anlaufstelle gegen häusliche Gewalt und mit dem Frauenhaus zur
Nachbetreuung laufen aus. Eine Fortführung für die Leistungsperiode 2019-2022 ist vorgesehen.

Gemäss Medienberichten hat das Frauenhaus mit finanziellen Problemen zu kämpfen.2 Im aktuellen
Leistungsvertrag ist die Pauschale festgelegt, die das Frauenhaus pro Frau und Tag erhält. Der
Nachteil solcher Tagespauschalen: Ist das Frauenhaus voll, ist die Finanzierung gesichert. Sind die
Betten leer, bleibt auch die Kasse leer. Trotzdem müssen Fixkosten wie Löhne und Miete bezahlt
werden. Das Aargauer Männerhaus „Zwüschehalt“, das dieselben Funktionen wie das Frauenhaus
erfüllt, aber keinen Leistungsvertrag mit dem Kanton abgeschlossen hat, soll gemäss Medienberichten
sogar aus Kostengründen geschlossen werden.3

Vor diesem Hintergrund bitten wir den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:
1. Die Istanbul-Konvention beinhaltet eine Reihe von sehr konkreten Massnahmen wie beispielsweise
die Bereitstellung von genügend Zufluchtsorten für von Gewalt betroffenen
Frauen, Angebote für von Gewalt betroffenen Flüchtlingsfrauen, eine telefonische Hotline
oder Beratungsstellen für Kinder, die Zeugen von häuslicher Gewalt geworden sind. Ist der
Regierungsrat der Meinung, dass der Kanton Aargau diese Vorgaben genügend erfüllt?
Wenn ja, wie? Wenn nein, in welchen Bereichen nicht?
2. Sind zusätzliche Massnahmen geplant? Wenn ja, welche? Wenn nein, bitte begründen, warum
darauf verzichtet wird.
3. Wurden jene Stellen, die mit Opfern von häuslicher Gewalt oder mit gewaltbetroffenen
Frauen zu tun haben (Gleichstellungsbüros, Polizei, Justiz, Soziale Dienste usw.) zum
Thema Istanbul-Konvention geschult und ausgebildet? Wenn nein, ist dies noch geplant?
4. Das Frauenhaus hat Mühe, wegen dem Leistungsvertrag ein stabiles Angebot zu erhalten,
das Aargauer Männerhaus „Zwüschehalt“ soll sogar aus Kostengründen geschlossen werden.
Erachtet der Regierungsrat diese Situation als problematisch mit Blick auf die Istanbul-
Konvention? Sind Anpassungen bei den Leistungsverträgen für die kommende Periode geplant?
Was hält der Regierungsrat von der Einführung eines Sockelbeitrags für diese Zufluchtsorte,
um die finanziellen Probleme aufgrund der Belegungsschwankungen abzufedern?
5. Wie viele aufenthaltsrechtliche Härtefälle sind in Zusammenhang mit häuslicher Gewalt eingegangen?
Wie viele davon wurden abgelehnt, wie viele als Härtefälle anerkannt? Wir bitten
um eine Zusammenstellung der Anzahl Fälle in den letzten fünf Jahren.
6. Kinder sind besonders schutzbedürftig und bei häuslicher Gewalt immer betroffen – direkt
oder indirekt. Welche weiteren Massnahmen neben der Beratung für Kinder sind in den Bereichen
Prävention, Schutz und Aufklärung geplant?


1 https://rm.coe.int/1680462535, abgerufen am 20.11.2018.
2 https://www.aargauerzeitung.ch/aargau/kanton-aargau/alarmierendes-rekord-defizit-beim-frauenhaus-nach-dem-bisher-schwierigsten-jahr-
132791035, abgerufen am 20.11.2018.
3 https://www.srf.ch/news/regional/aargau-solothurn/verein-zwueschehalt-das-aargauer-maennerhaus-wird-geschlossen, abgerufen am
20.11.2018.

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed