Text:
Der Regierungsrat aufgefordert, eine unabhängige wissenschaftliche Studie in Auftrag zu geben, welche die Frage von Medikamentenversuche in psychiatrischen Anstalten sowie in heilpädagogischen Schulen und Heimen im Kanton Aargau im vergangenen Jahrhundert untersucht und ggf. aufarbeitet.
Begründung:
In den letzten Jahren haben verschiedene Medien von Medikamentenversuchen in Psychiatrischen Kliniken berichtet, ein breites öffentliches Interesse geweckt und gleichzeitig viele Fragen aufgeworfen. Die Vermutung steht im Raum, dass auch in Aargauer Institutionen an Patientinnen und Patienten Substanzen getestet wurden. Der Umfang, der Ablauf und die Umstände der Versuche sind aber weitgehend unklar. Beispielsweise untersucht seit Frühling 2016 ein interdisziplinäres Expertenteam der Universität Zürich, finanziert vom Kanton Thurgau, die Psychopharmakaforschung der Klinik Münsterlingen. Es
scheint, dass in der Schweiz bis Anfang der 1970er-Jahre kaum schriftliche Einwilligungen von Patientinnen und Patienten für psychopharmakologischen Tests eingeholt worden sind.
Beispiel Heim Schürmatt in Zetzwil: Der Kinderarzt Prof. Heinz Stefan Herzka schreibt in seiner Autobiografie «Unterwegs im Zwischen» (2007) zu seiner Tätigkeit im Schulheim Schürmatt: «Im Bereich Pharmakotherapie führten wir kleine Reihen wissenschaftlicher Medikamentenversuche durch. Es war die Zeit der Einführung psychisch wirksamer Medikamente, die inzwischen enorme
Verbreitung haben, sodass man häufig von einem medizinischen Missbrauch sprechen muss.»
Beispiel Psychiatrie Königsfelden in Windisch: Bis zur Überführung in eine Aktiengesellschaft 2004 waren die PDAG eine Anstalt des Kantons. Die Psychiatrischen Dienste Aargau AG (PDAG) verfügen heute über ein nahezu umfassendes Archiv seit der Gründung 1872. Dieses Archiv ist einzigartig in der ganzen Schweiz und beinhaltet auch Dokumentationen (Geschäftsberichte, Jahresabschlüsse etc.) und Krankengeschichten (Patienten und Behandlungsdokumentationen). Doch eine historische Bearbeitung ist bis heute nicht geschehen.
Die historische Aufarbeitung von Medikamentenversuchen an Patientinnen und Patienten hat nicht den Zweck einer Verurteilung. Analog zur Erforschung der administrativen Versorgung von Menschen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts geht es erstens um die Aufarbeitung und Bewertung
staatlichen Handelns in der Vergangenheit, zweitens um ein Fazit mit Blick auf heutige Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten und drittens um das Recht von Betroffenen auf eine faire Geschichtsschreibung.