Rotes Protokoll vom 16.06.2020

Der Bericht aus dem Grossen Rat, direkt aus dem Spreitenbacher Corona-Exil.


Steuersenkungen, im vollen Ernst (oder im grössten Wahnsinn)
Ideologie ist, wenn die bürgerliche Mehrheit die Gewinnsteuern für Unternehmen senken will – in der grössten Volkswirtschaftskrise seit hundert Jahren. Das Postulat wurde durchgedrückt mit Stimmen der GLP, CVP, FDP, SVP und EVP. Zur Erinnerung: 52% aller Unternehmen bezahlen überhaupt keine Gewinnsteuer, weil sie keinen Gewinn machen. 46% zahlen ein bisschen was. 0.9% aller Unternehmen haben überhaupt so einen hohen Gewinn, dass sie von der verlangten Steuersenkung profitieren würden. Diese Unternehmen verdienen vor allem, z. B. in der Finanzbranche, aber sie produzieren selten viel und bieten auch nicht unbedingt viele Arbeitsplätze.

Dieter Egli betonte in seinem Votum, dass diese Forderung unredlich sei, nachdem sich im Rahmen der Debatten zur Steuervorlage’17 (SV17) eigentlich vom Tisch gewischt wurde. Aber vor allem ist es eine volkswirtschaftliche Dummheit: “Profitieren können einzig grosse Konzerne und jene Unternehmen, die auch schon jetzt von der Krise profitieren und Gewinne machen.” Entlastet wird ausschliesslich, wer es im Moment am allerwenigsten nötig hat. Absurd.

Kurzarbeit müsste zum Leben reichen
Die SP stellte den Antrag: Der Kanton Aargau soll den Bund auffordern, dass die Kurzarbeitsentschädigung bei tiefen Löhnen im Falle eines Bezugs von mehr als 60 Tagen auf 100% erhöht wird – heute erhalten Angestellte in Kurzarbeit nur 80% ihres eigentlichen Lohns.
80% von einem tiefen Lohn oder 80% von einer 80%-Anstellung reichen nicht zum Leben. Von der Kurzarbeit wegen Corona sind Branchen mit tiefen Löhnen betroffen, wie zum Beispiel das Gastgewerbe. Dort gibt es Löhne unter 4000 Franken. Wenn davon wegen Kurzarbeit nur 80% ausbezahlt werden, reicht das definitiv nicht mehr zum Leben. Hier werden Menschen, die sowieso schon zu wenig verdienen, in eine grosse finanzielle Krise gebracht. Das ist ungerecht und unsolidarisch, wenn gleichzeitig Unternehmen wie die SWISS mit Milliarden gerettet werden.
Die FDP hat sich, wie immer, mit technokratischen Argumenten aus der politischen Verantwortung gezogen. Es müsse so viel abgeklärt werden, da lasse man es halt besser, so FDP-Fraktionspräsident Scholl. Auch die SVP nannte “formelle” Gründe, sei es doch ein sozialistisches Anliegen. Andere Fraktionen nahmen sich nicht einmal die Mühe, sich hinter formellen Gründen zu verstecken. Der Antrag wurde abgelehnt.

Jahresbericht und Jahresrechnung 2019
Eine der stilleren, aber besonders wichtigen Aufgaben eines Parlamentes. In zahlreichen Fachkommissionssitzungen kontrolliert das Parlament, unter Aufsicht der Kommission für Finanzen und mit Berichten der Finanzkontrollen, die Ausgaben 2019 im Vergleich zum Budget für das Jahr 2019, das 2018 beschlossene wurde. Die Kader der Verwaltung müssen hier Red und Antwort stehen, können aber auch auf Probleme hinweisen, die dann in der Budgetplanung 2021 einfliessen können.
Flurin Burkard (Waltenschwil) kritisierte den Regierungsrat zurecht dafür, dass selbst dann gespart und abgebaut wird, wenn die finanzielle Lage zukunftsgerichtetes Investieren zulassen würde: Die Rechnung 2019 schloss mit einem Überschuss. Geschweige denn, dass Investitionen im Bereich Umwelt, Gesundheit und Soziales auch volkswirtschaftlich sinnvoll wären.
Ausserdem diskutiert und beschlossen:
Anaxam: 2,4 Millionen Franken wurden für das Technologietransferzentrum Anaxam für angewandte Materialanalytik mittels Neutronen- und Röntgenstrahlung am PSI gesprochen. Arsène Perroud (Wohlen) betont, für den Wirtschaftsstandort sei es wichtig, sich als Hightech-Standort zu positionieren.
Golfplatz Niederwil: Die SP-Fraktion hat mit der Mehrheit des Grossen Rates keine Erlaubnis für einen Golfplatz im Reusstal gegeben: Um die Natur und das Kulturland zu schützen. Golfplätze brauchen zu viel Platz und es gibt schon genug davon.
Hindernisfreie öffentliche Verkehrsanlagen im Busverkehr: Die Vorstösse von Dave Burgherr wurden von der Ratsmehrheit abgelehnt. Weder gibt es verbindliche Norm-Vorgaben noch gibt es eine verstärkte Finanzierung für die überfälligen baulichen Massnahmen.

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