Postulat der SP-Fraktion (Sprecherin, Lelia Hunziker, Aarau) vom 8. September 2020 betreffend kantonalen Mindestlohn

Text:

Der Regierungsrat wird ersucht, Möglichkeiten zur gesetzlichen Festlegung eines kantonalen Mindestlohnes aufzuzeigen.

Begründung:

Gerade die Coronakrise hat das eklatante Missverhältnis zwischen Wichtigkeit der Arbeit und Lohn- zahlung einmal mehr gezeigt: Viele Jobs, die systemrelevant sind, werden so schlecht bezahlt, dass davon nicht gelebt werden kann. Wer solche Löhne verdient, braucht Unterstützung vom Staat in Form von Prämienverbillingungen oder Sozialhilfe. Gut gibt es den Staat und gut hilft dieser. Aber das ist ein wirtschaftlicher Systemfehler. Es darf nicht sein, dass Unternehmen Tiefstöhne bezahlen und der Staat aufrunden muss, damit die Menschen ihre Miete, das Essen und alle Rechnungen bezahlen können. Deshalb braucht es einen kantonalen Mindestlohn und der Kanton muss als Gesetzgeber aktiv werden.

Mindestlöhne sorgen nicht nur für mehr Lohngerechtigkeit, sie sind auch ein wichtiges Mittel gegen Lohndumping. Zudem hat sich in Branchen mit vertraglich festgesetzten Mindestlöhnen gezeigt, dass diese auch eine positive Wirkung auf das gesamte Lohngefüge bei den tieferen Löhnen haben. Weil besonders viele Frauen in Tieflohnjobs arbeiten, sorgen Mindestlöhne auch für mehr Lohngleichheit zwischen Frau und Mann. Nicht zuletzt ist ein Mindestlohn ein ethisches Gebot der Stunde: Wer Voll- zeit arbeitet, einen Lohn verdient, der zu einem anständigen Leben reicht.

Bisher haben drei Kantone einen kantonalen Mindestlohn eingeführt: Im Kanton Neuenburg gibt es seit Sommer 2017 einen fixen kantonalen Mindestlohn – sieben Jahre nach einem Volksentscheid und Klagen der Arbeitgeberseite, die vom Bundesgericht abgewiesen wurden. Auch der Kanton Jura kennt seit November 2017 einen fixen kantonalen Mindestlohn. Im Dezember hat das Tessiner Kan- tonsparlament eine Volksinitiative umgesetzt und einem dynamischen Mindestlohn zugestimmt – mit Medianlöhnen je nach Tätigkeit oder Branche, die innerhalb von vier Jahren schrittweise angehoben werden. In den Kantonen Basel-Stadt und Genf sind Volksinitiativen für einen kantonalen Mindest- lohn eingereicht worden, die parlamentarisch beraten werden.

Die Auswirkungen eines kantonalen Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt sind immer wieder Themen in den politischen Diskussionen – und waren auch Gegenstand der Klagen im Kanton Neuenburg. Bisher hat sich dort gezeigt, dass der Mindestlohn keinen Einfluss auf die Arbeitslosenquote hat – vielmehr ist im Referenzzeitraum die Sozialhilfequote zurückgegangen. Bei einer gesetzlichen Ein- führung eines kantonalen Mindestlohnes müsste dessen Einfluss auf den Arbeitsmarkt auf jeden Fall beobachtet und analysiert werden.

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