Resolution AKW und Versorgungssicherheit

Resolution angenommen am ordentlichen Parteitag der SP Aargau vom 9. April 2022 in Oberkulm

Resolution des Fachausschusses Energie & Klima

Atomenergie ist keine Lösung für die Stromversorgungssicherheit im Aargau

Die Stromversorgungssicherheit der Schweiz und des Aargaus ist aufgrund der abgebrochenen Verhandlungen mit der EU, der neuen Stromabkommen innerhalb der EU und der in Deutschland geplanten Betriebseinstellungen der Atomkraftwerke (AKW) und der Kohlekraftwerke ab dem Jahr 2025 nicht mehr in jedem Fall gesichert. Die Aargauer FDP und SVP fordern, dass der Aargau – als Standortkanton von drei AKW – sich beim Bund für die Aufhebung des Verbots für neue AKW einsetzen soll. Anders könne die Stromversorgungssicherheit kurz- und mittelfristig nicht mehr gewährleistet werden.

Die Forderung nach neuen AKW ist sachlich völlig falsch, wirtschaftlich unsinnig, für das Klima kontraproduktiv und demokratisch sehr bedenklich. Dies aus den folgenden neun Gründen:

  1. Atomstrom ist nicht nachhaltig
    AKW belasten Ökosysteme auf vielfältige Weise (Strahlenbelastung, radioaktive Isotope etc.) – beim Bau, beim Betrieb, bei der Herstellung der Brennstoffe, deren «Wiederaufbereitung» und vor allem bei der ungelösten Abfallentsorgung. Von den Kernschmelzrisiken und deren Langzeitfolgen (z.B. Lucens (CH 1969), Harrisburg (USA 1979), Tschernobyl (SU 1986) und Fukushima (JP 2011) etc.) und dem Risiko der Verbreitung von Atombomben (Proliferation) ganz zu schweigen.
  2. AKW sind viel zu teuer und kämen viel zu spät
    Strom aus neuen AKW kostet deutlich mehr als Wind- und Sonnenstrom. Sie könnten nur dank massiven Subventionen betrieben werden. Denn der Atomstrom ist mit >14 Rp/kWh heute zwei- bis dreimal so teuer wie jener aus grösseren Photovoltaikanlagen. AKW, die heute im Bau sind (Finnland, England), haben Bauzeiten von zehn bis zwanzig Jahren. In der Schweiz würden sie sicher nicht vor 2045 in Betrieb gehen können.
  3. CO2-freien Atomstrom gibt es nicht
    Der reine Betrieb eines AKW setzt zwar fast kein CO2 frei, aber die Herstellung der Brennelemente (Bergbau, Aufbereitung) und vor allem der Bau des AKW (Beton, Stahl, Kupfer) und am Schluss die Entsorgung verschlingen sehr viel fossile Energien. Bei der Betonherstellung werden auch in Zukunft sehr grosse Mengen an CO2 emittiert. Unabhängige Studien belegen, dass der Atomstrom heute mit deutlich mehr CO2-Emissionen belastet ist als Strom aus Photovoltaik (PV), Wind und Biogasanlagen.
  4. Die erwartete Stromlücke ist von FDP und SVP mitverschuldet
    Die Bürgerlichen verhindern mit ihrer Europapolitik (EU-Rahmenabkommen etc.) ein Stromabkommen mit der EU. Zudem blockieren sie seit Jahren auf vielfältige Weise aktiv den schnellen Ausbau der Photovoltaik auf den bereits bebauten Flächen, u.a., indem sie notwendige Subventionen für den PV-Ausbau verweigern. Dabei sind Sonne und Wind die einzigen in der Schweiz technisch schnell nutzbaren nachhaltigen Energiequellen.
  5. Die Angstkampagne mit der Stromlücke will die Vormachtstellung der alten Energiewirtschaft sichern
    Bei der Forderung, langfristig wieder auf AKW – und kurzfristig auf Gaskraftwerke – zu setzen, geht es auch um die Verteidigung der Vormachtstellung der alten (AKW-)Energie-Monopol- Wirtschaft. Denn diese fürchtet die zwei Millionen dezentralen PV-Anlagenbesitzer:innen, die in Zukunft mehr Strom als die Wasserkraft liefern werden.
  6. AKW reduzieren die Versorgungssicherheit – PV-Anlagen erhöhen sie
    AKW fallen immer wieder wegen Pannen und Unterhaltsarbeiten oft für mehrere Wochen und Monate aus – und destabilisieren so grosse Versorgungsregionen. Die PV-Anlagen auf den rund 200’000 Aargauer Gebäudedächern haben zusammen ein Stromproduktionspotential von mehr als 5’000 GWh/Jahr (zum Vergleich: Der Stromkonsum im Aargau beträgt heute ca. 5’000 GWh/Jahr). Zusammen mit dezentralen Batterien garantieren sie eine robuste Stromversorgungssicherheit.
  7. Die «Stromlücke» kann schnell mit PV und Wind geschlossen werden
    Heute sind Photovoltaik und Wind die Energiequellen, mit denen wir die Stromlücke schnell schliessen können. Sie sind billiger, ökologischer und können technisch innert 12 Monaten realisiert werden. Zusammen mit intelligenten Netzen, Batterien und anderen Speichertechnologien können sie eine wintersichere CO2-freie Energieversorgung garantieren, insbesondere wenn sie auch in den alpinen, nebelfreien Regionen gebaut werden.
  8. AKW schaffen sehr wenig volkswirtschaftlichen Nutzen – PV- und Windenergie aber schon
    Der Grossteil der Leistungen für den Bau eines AKW und die Brennelemente müssen importiert werden, sodass rund 80 Prozent der laufenden Stromkosten als «Amortisationskosten» für die «importierten Leistungen» anfallen. Im Gegensatz dazu können bei den PV-Anlagen 50 bis 70 Prozent der Leistungen durch das lokale Gewerbe erbracht werden, womit diese Wertschöpfung vor Ort bleibt.
  9. Volksentscheide respektieren ist demokratische Pflicht
    Der Atomausstieg basiert auf einem klaren Volksentscheid (58% JA zur Energiestrategie 2050 und zum Energiegesetz in der Abstimmung Frühjahr 2017), den die FDP und die SVP offenbar schon fünf Jahre später nicht respektieren wollen. Und das für eine «neue Generation von Atomkraftwerken», die noch gar nicht entwickelt ist!

Die SP Aargau fordert den Regierungsrat auf, den Beschluss der Schweizer Stimmberechtigten, aus der Atomkraft auszusteigen, umzusetzen. Gleichzeitig muss der Ausbau der erneuerbaren Energien endlich verstärkt vorangetrieben werden, damit die Versorgungssicherheit im Kanton auch in Zukunft garantiert werden kann.

  1. Der Regierungsrat wird aufgefordert, sich im Rahmen seiner kantonalen Energiestrategie 2050 klar zum 2017 beschlossenen grundsätzlichen Ausstieg aus der Atomenergie zu bekennen und diesen Entscheid zu bekräftigen.
  2. Der Regierungsrat wird aufgefordert, die Eigentümerstrategie der AEW Energie AG (AEW) dahingehend zu präzisieren, dass die AEW keine weiteren Investitionen in Atomenergieanlagen und Atomenergie-Forschungsprojekte vornimmt.
  3. Der Regierungsrat wird aufgefordert, eine kantonale Tagesstromspeicherstrategie auszuarbeiten, um mittels dezentralen Strombatteriespeichern die schnell wachsenden täglichen PV-Stromspitzen für den Nachtbedarf zu speichern.
  4. Der Regierungsrat wird aufgefordert, die im Kanton vorhandenen Notstromanlagen zu erfassen, sie in ein Notfall-Planungskonzept zu integrieren und wo nötig weitere zu errichten.
  5. Der Regierungsrat wird aufgefordert darzulegen, wie er angesichts der behaupteten Stromversorgungsunsicherheit seinen verfassungsmässigen Auftrag, für die sichere Stromversorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft zu sorgen, bis 2025 erfüllen will.
  6. Der Regierungsrat wird insbesondere aufgefordert, ein klares Konzept vorzulegen, was der Kanton und die Gemeinden unternehmen müssen, damit das im Kanton Aargau vorhandene PV-Potential von 5000 GWh/J bis spätestens 2040 realisiert werden kann. Dazu soll er einen Etappenplan für die einzelnen Sektoren erstellen (2025/2030/2035/2040). Dabei sind auch die volkswirtschaftlichen Kosten der verschiedenen Szenarien zu ermitteln, die anfallen werden, wenn bestimmte Stromversorgungsunterbrüche im Aargau eintreten würden.
  7. Der Regierungsrat wird aufgefordert darzulegen, wie der Kanton Aargau vom «Atomenergiekanton» zum führenden Kanton der nachhaltigen Energietechnologien und der nachhaltigen Energieproduktion werden kann.
Auch die Aargauer Gemeinden können und müssen ihren Beitrag leisten, um den Atomausstieg voranzubringen und gleichzeitig die Versorgungssicherheit zu stärken. Dies betrifft insbesondere jene Aargauer Gemeinden, die ein eigenes Kraftwerk oder Energieversorgungsunternehmen (EVU) besitzen oder daran beteiligt sind. Die SP Aargau empfiehlt ihren Sektionen, in ihren Gemeinden folgende Forderungen zu stellen:
  1. Die Gemeinden sollen ihre eigenen EVU dazu bewegen, keine neuen langfristigen Verträge mit Lieferant:innen von Atomstrom abzuschliessen.
  2. Die Gemeinden sollen ihre eigenen EVU dazu bewegen, dass diese ihren Anteil am AKW- Strom (Ausland/Inland), den sie ihren Kund:innen verkaufen, Jahr für Jahr ausweisen.
  3. Die Gemeinden sollen ihre eigenen EVU dazu bewegen, dass diese ihren Anteil am AKW- Strom (Ausland/Inland), den sie ihren Kund:innen verkaufen, Jahr für Jahr senken.
  4. Die Gemeinden sollen zusammen mit ihren EVU einen Plan erstellen, wie sie das PV-Potential ihrer Gemeinde (gemäss Solarstrategie 2021) bis ins Jahr 2040 erreichen können. Dazu sollen sie einen Etappenplan für die einzelnen Sektoren erstellen (2025/2030/2035/2040).
  5. Die Gemeinden sollen ihre eigenen EVU dazu bewegen, Tagesstrom-Speicherkapazitäten auszuarbeiten, um mittels dezentralen Strombatteriespeichern die schnell wachsenden täglichen PV-Stromspitzen in ihrem Marktgebiet für den Nachtbedarf zu speichern.
  6. Die Gemeinden sollen ihre eigenen EVU dazu bewegen, die im Einzugsgebiet vorhandenen Notstromanlagen zu erfassen und sie in ein kommunales/regionales Notfall-Planungskonzept zu integrieren.

Die Resolution ist als PDF Datei verfügbar: Download

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