Rotes Protokoll vom 25. April 2023

Liebe Genoss:innen

Spieglein, Spieglein an der Wand – wer verdreht die Politik im ganzen Land? Einmal mehr spukte die Abstimmungsanlage im Rat. Das Ergebnis wurde “an der Mittelachse gespiegelt” dargestellt. Das sorgte für Verwirrung. Und zu einem falschen Ergebnis. Ein Rückkommen zugunsten der Demokratie wurde schnöde abgelehnt. Ein demokratischer Sündenfall. Und dann gab es kurz vor dem 1. Mai noch ein gewerkschaftlicher Sündenfall. 

Solidarisch

Lelia Hunziker und Alain Burger

Sonntagsverkauf: Auf zum 1. Mai – aber_also_wörkli!
Eine Motion, die auch von mehreren SP-Grossrät:innen miteingereicht wurde, forderte einen dritten Verkaufssonntag in unserem Kanton. Kurzsichtige Lokalpolitik – und vielleicht ein bisschen Stimmenfischer – sei Dank. Wir dürfen nie und nimmer links blinken und rechts abbiegen.  

Während sich die Gewerkschaften gemeinsam mit der SP im Jahr 2010 erfolgreich gegen die Erweiterung der Ladenöffnungszeiten, insbesondere gegen die vorgesehenen vier offenen Verkaufssonntage, zur Wehr setzten, scheint es heute im kuscheligen SP-Salon unproblematisch, Arbeiter*innen am Sonntag schuften zu lassen. Immerhin: eine Mehrheit der SP-Fraktion lehnte die Motion ab. Aber leider: die Mehrheit im Rat winkte die Liberalisierung durch. Taktlose Kakophonie der Privilegierten (mehr dazu unten). Und dies vor dem 1. Mai – dem Tag der Arbeit, an dem wir uns mit grossen Reden für bessere Arbeitsbedingungen einsetzen werden. Zynisch? Darüber unterhalten wir uns am Montag. Wir laden Euch herzlich an den 1. Mai ein! Kommt in Scharen.
 

Grossrat: Taktlose Kakophonie für Privilegierte 
Erinnert ihr euch noch an die Einführung des Taktfahrplans der SBB? Das war eine wahre Revolution. Takt für Takt rollten die Züge ein und aus und korrespondierten mit Anschlüssen. Auf und davon – hin und weg. Die Welt ging auf.

Der Grossrat ist komplett taktlos. Wie eine furiose Kakophonie klingeln die Glocken für Sitzungen durch die Woche. Denn: Dienstag ist Grossratstag. Eigentlich. Ausser es sind Ferien. Oder es fehlen Traktanden. Dann wird abgesagt. Wir treffen uns also hie und da am Dienstag im Rat. Aber auch an jedem beliebigen anderen Tag. Dann finden Kommissionssitzungen statt.  Manchmal geniessen wir wochenlanges dolce far niente. In manchen Wochen garen wir wiederum zwei Tage – oder mehr – an Sitzungen. Wir sind alles dehnbare Superflexis, müssen es sein. Wer da nicht mithält – ist raus.  Wir sind superflex und privilegiert. Der Grossratsfahrplan korrespondiert nur bei Privilegierten mit Leben, Job und Familien. Und: Wir müssen es uns leisten können. Ja, heute ist es so, dass nur Superprivilegierte sich das Luxushobby Politik leisten können.

Deshalb haben wir heute im Rat einen neuen Ratsmodus diskutiert. Das Ziel war, möglichst alle Sitzungen am gleichen Tag durchzuführen. Ein Dienstag-Takt! Das Resultat der Idee war jedoch weder Fisch noch Vogel – eher ein am Boden dahin schleichendes Amphibium. Emotionslos wurden die Neuerungen akzeptiert. Schauen wir mal, was es bringt.

Aber: Nehmen wir die Demokratie ernst und wollen wir, dass alle Menschen politische Ämter ausüben, dann braucht es Veränderung – ja, dann braucht es eine Demokratie-Revolution. Dann braucht es wahre, solidarische Entschädigung, Kinderbetreuung, Sozialzeitgutscheine u.s.w.
 
E-Voting oder die Herausforderung einer Spiegelachse
Das Thema E-Voting im Kanton Aargau hat eine hitzige Diskussion im Rat ausgelöst. Die einen sehen in der elektronischen Stimmabgabe einen logischen Schritt in der Digitalisierung des smarten Kantons und eine zeitgemässe Möglichkeit für die Bürger:innen, an unserer Demokratie teilzunehmen. Die anderen haben nach wie vor kein Vertrauen in die neue digitale Welt und finden Investitionen in E-Voting unnötig. Als SP befürworten wir den Pilotversuch. Durch E-Voting verbessert sich die heute unbefriedigende Situation für Aargauer:innen, die ausserhalb unseres Kantons leben. So erhalten Ausland-Aargauer:innen auf Fidschi im Südpazifik ihr Stimmcouvert oft zu spät oder gar nicht. Auch für Menschen mit Behinderung wäre es dank elektronischer Stimmabgabe besser möglich, ihre politischen Rechte wahrzunehmen, sofern die digitalen Instrumente barrierefrei programmiert werden. Dies wäre ein Schritt in die richtige Richtung und würde unsere Demokratie ein wenig vollständiger und inklusiver machen. Noch keine Vierviertel-Schweiz, aber ein kleiner Schritt in unserem Grossen Rat.
 
Leider wurde die E-Voting-Initiative mit knapper Mehrheit von 68:67 abgelehnt. Doch damit ging die Diskussion erst los. Ein Rückkommensantrag – weil die elektronische Abstimmungsanlage das Abstimmungsverhalten vom Grossen Rat neu spiegelverkehrt darstellt und nicht alle Grossrät:innen das mit der Spiegelachse im Kopf so schnell umstellen konnten – blieb leider chancenlos. Es wurde gehässig. Es wurde spöttisch. Genauso ein Problem habe man wegen der Digitalisierung. E-Voting ist vorerst erledigt. Doch E-Voting wird im Aargau kommen – wenn auch vielleicht erst später. Und bis dahin warten die Aargauer:innen auf Fidschi weiter sehnsüchtig auf ihr Abstimmungscouvert aus Aarau.
 
Klimaschutz ist Eigenverantwortung. Nein und nochmals Nein!
Bereits in der Präambel unserer Kantonsverfassung wird festgehalten, dass der Kanton seine Verantwortung gegenüber der Umwelt wahrnehmen muss. Heute hat der Grosse Rat diesem Grundsatz Taten folgen lassen, indem er einem neuen Klima-Paragrafen in der Kantonsverfassung zugestimmt hat. Wir sagten Ja zum Klimaschutz und zur Klimaanpassung. Mit diesem Schritt verpflichten sich Kanton und Gemeinden dazu, Massnahmen zur Begrenzung und Anpassung an den Klimawandel zu ergreifen. Eigentlich hätten wir uns eine ausführlichere Version mit konkreten Handlungsfeldern und Massnahmen gewünscht, doch wir müssen uns vorerst mit dieser gestrafften Fassung des Klimaparagrafen zufriedengeben. Dafür gab es heute eine Mehrheit. Nur die SVP lehnte einmal mehr alles ab, was mit Klima zu tun hat. Denn für sie bedeutet Klimaschutz Eigenverantwortung und der Kanton tue bereits genug. Kurzfristige Profite statt ein Planet mit Zukunft. Öl und Gas statt Klimaschutz und Energiesicherheit. Ach SVP, langsam haben es wirklich alle begriffen: Wenn wir das Klima jetzt nicht schützen, werden wir bald Schutz vor dem Klima brauchen! Der neue Klima-Paragraf ist richtig und wichtig, aber es gibt noch viel zu tun. Wir werden weiterhin für konkrete Massnahmen im Sinne des Klimaschutzes kämpfen.

Wir waren fleissig

  • Motion Lea Schmidmeister, SP, Wettingen (Sprecherin), betreffend Zuständigkeit für die Erteilung des Kantonsbürgerrechts
  • Interpellation Lelia Hunziker, SP, Aarau (Sprecherin) und Alain Burger, SP, Wettingen, vom 25. April 2023 betreffend digitale Befähigung statt digitalen Ausschluss
  • Interpellation Lelia Hunziker, SP, Aarau (Sprecherin) und Lea Schmidmeister, SP, Wettingen, vom 25. April 2023 betreffend rechtsnationaler und staatsablehnender Gruppierungen
  • Motion der SP-Fraktion vom 25. April 2023 (Sprecherin Claudia Rohrer, Rheinfelden) betreffend Einführung der gesetzlichen Grundlage zur Einräumung eines preislich unlimitierten Vorkaufsrechts bei Liegenschaftsverkäufen (Bauland und überbautes Bauland) zugunsten der Gemeinden und allenfalls des Kantons Aargau zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum

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