Liebe Genoss*innen
Heute war im Grossen Rat die Grosswetterlage: April, April – er macht was er will. Wir haben eine völlig abgemagertes Energiegesetz verabschiedet, ohne Biss, abgespeckt auf Wunsch der Hauseigentümer*innen bis auf die Knochen der Nachhaltigkeit. Man sprach von Spätzen in der Hand und Tauben auf dem Dach. Wir wollen weder Spatz noch Taube, wir wollen das Klima retten. Dafür wurde der Habsburger-Rapport abgeschafft. Juheeee! Offiziere von hüben und drüber (ganz offiziell sind in Uniform halt doch alle gleich) setzten sich in martialischer Rhetorik für die jährliche Völlerei ein, ist Schluss mit Berner-Platt, Wein und Schnaps auf Staatskosten. Aber ja, ein schwacher Trost. Und schade auch, dass uns die Debatte um WC-Anlage für Jäger*innen entging. Der Motionär liess den Vorstoss in ein Postulat umwandeln und abschreiben. Das hätte eine ulkige Debatte gegeben und etwas Weidmanns-heil in den Saal gebracht. Ja, ihr erratet es – wir sind sarkastisch: Manchmal fragen wir uns schon, was uns im Rat präsentiert wird an Bedeutungslosigkeit.
Wir bleiben jedoch drauf und dran und haben heute mehrere wichtige Vorstösse eingereicht.
Auf dass der April bald wieder etwas weniger launisch ist und uns die Frühlingssonne kitzelt. Wir schreiben Euch erst am 14. Mai wieder. Zwischendurch ist der 1. Mai: Wir sehen uns an einer der Veranstaltungen im Aargau! Weil: Löhne rauf und Prämien runter.
Solidarisch
Lelia, Alain, Mia, Rolf
Unterlistenflut oder Sturm im Wasserglas?
Mit einer Standesinitiative (Initiative, die direkt via Kanton in die Vereinigte Bundesversammlung gebracht werden kann) wollten die SVP, FDP und Grüne die “Unterlistenflut eindämmen.” Die SP spricht sich explizit dagegen aus. Klar, das Bigeli an Unterlisten bei den Nationalratswahlen letzten Herbst war nicht für alle erfreulich und teilweise ein bisschen mühsam zu durchforsten. Der Wahlbeteiligung hat das aber keinen Abbruch getan. 2023 gingen mehr Leute an die Urne als 2019.
Für die SP ist klar, dass eine Begrenzung der Unterlisten de facto eine Einschränkung der Miliz-Beteiligung in der Politik ist. Oft sind nämlich ebensolche Unterlistenkandidaturen ein Einstieg in die Politik. Dass man dieses Engagement als “Flut” betitelt, ist doch ein wenig befremdlich. Wenn diese “Flut” Parteien weniger sympathisch macht, dann sollte das individuell entschieden werden und nicht so, dass Einzelnen der Zugang zur Politik verwehrt ist. Ein Sturm im Wasserglas, also nach den Nationalen Wahlen. Das sah der Rat leider nicht so und nahm das Geschäft an.
Ein Energiegesetz für den Energiekanton
Vor drei Jahren lehnten die Stimmberechtigten das kantonale Energiegesetz knapp ab. Nun legt die Regierung ein neues Gesetz vor: Öl- und Gasheizungen dürfen bleiben, Photovoltaik auf dem Dach bleibt freiwillig, keine Sanierungspflicht für Elektroboiler. Viel Eigeninitiative, wenig bis nichts fürs Klima. Das Ziel Netto Null 2050 werden wir so nicht erreichen. Auch nicht 2060. Auch nicht 2070! In dieser Zusammensetzung des Grossen Rats ist ein fortschrittliches Energiegesetz leider nicht möglich. Rechtskonservativ freute sich über das superschlanke Gesetz und lobte den Verzicht auf überflüssige Regulierungen. Jeden Versuch, doch noch gewisse Verbindlichkeiten in das verwässerte Gesetz einzubringen, wurde von Mitte bis Rechts kurzerhand bachab geschickt. Ein Spatz in der Hand ist besser als eine Taube auf dem Dach. Die Tauben auf dem Dach sind schon längst ausgeflogen. Vom Spatz in der Hand sind auch nur noch ein paar Federn übrig. Was machen? Ein Gesetz mit Mini-Mini-Fortschritt oder kein Gesetz? Die Fraktion war gespalten. Das Energiegesetz wurde in der Schlussabstimmung angenommen. Immerhin werden nun die Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (MuKEn) auch im Aargau angewendet und durch die Meldepflicht wird neu ein Monitoring möglich, wo wir in Bezug auf die Klimaziele stehen. Immerhin. Oder: gäng söfu!
Berufsbildung für spät zugewanderte Erwachsene
Der Aargau ist ein Lehrlingskanton. Drei Viertel der Jugendlichen entscheiden sich bei uns nach der Volksschule für eine Berufslehre. Das Gesetz über die Berufs- und Weiterbildung hat sich bewährt. Dennoch haben sich aus dem Vollzug in den letzten Jahren ein paar Anpassungen gegeben. Neu sollen spät zugewanderte Erwachsene besser auf eine Berufslehre vorbereitet werden. Konkret geht es darum, das Pilotprojekt Integrationsvorlehre zu verstetigen. Das ist richtig und wichtig. Denn trotz Bemühungen auf verschiedenen Ebenen erreichen wir das Ziel einer Sekundarstufe-II-Ausbildungsquote von 95 Prozent noch immer nicht. In der Schweiz haben heute rund 500’000 Personen keinen Berufsabschluss. Und dies in Zeiten, wo landauf landab der Fachkräftemangel beklagt wird.
Für Diskussionen im Rat sorgte aber ein anderer Punkt im Gesetz: Die maximale Höhe der Rücklagen von nicht-kantonalisierten Berufsfachschulen. Diese dürfen aktuell maximal 10 Prozent betragen. Neu soll der Rücklagenfonds auf 30 Prozent anwachsen dürfen. Wir waren für die Erhöhung, weil es den Berufsfachschulen die Liquidität sichert und den Gemeinden, die über Wohnortsbeiträge die Berufsfachschulen mitfinanzieren, mehr Planungssicherheit gibt. Der Grosse Rat sah das mehrheitlich auch so und stimmte dem Berufs- und Weiterbildungsgesetz in der ersten Lesung zu.
Situation von Suchterkrankten im Aargau
Nachdem in den letzten Monaten mehrere Vorstösse zu den sogenannten “Hotspots” von rechter Seite her abgefeuert wurden und vor allem auf Law and Ordern und das Suchen und Finden nach Sündenböcken setzten, lagen heute Antworten auf Vorstösse vor, die nach nachhaltigen Lösungen suchten, welche die Menschen ihre Nöte und Sorgen in den Mittelpunkt setzen. Ja, es gibt Süchtige, ja, es werden immer mehr. Ja, sie sind in die Not. Ja, die Beratungsstellen können die wachsende Nachfragen nicht mehr stemmen. Ja, die Regierung ist sich dessen bewusst.
Aber: Warum wird dann nichts gemacht? Warum nimmt die Regierungsrat offensichtlich offene Drogenszenen, Kleinkriminalität, Ausgrenzung und unwürdige Zustände für die Betroffenen Schulterzuckend zur Kenntnis? Wir fordern die Regierung im Budget 2025 Ressourcen für Kontakt- und Anlaufstellen mit Konsummöglichkeiten, aufsuchende Angebote der Sozial- und Suchtarbeit, Notschlafstellen, Prävention-und Beratung vorzusehen.
Investition in die Zukunft: Bessere Unterbringung und Betreuung für UMA18+
Unbegleitete minderjährige Asylsuchende (UMAs) sind verletzlich und oft traumatisiert. Sie leben in speziellen Unterkünften und erhalten enge Betreuung. Doch sind die Plätze und Ressourcen knapp. Mit Erreichen der Volljährigkeit müssen die UMAs umziehen, aktuell nicht selten in unterirdische Unterkünfte. Fachstellen und Expert:innen stellen fest, dass UMAs durch diese plötzliche Veränderung in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Integration behindert werden. Andere Kanton haben diese Hürden erkannt und nachgebessert. UMAs wohnen auch nach dem 18. Geburtstag z.B. in Wohngruppen und werden individuell mit Coachings betreut. Nun haben auch Aargauer Grossrät:innen aus sechs Fraktionen den dringenden Handlungsbedarf erkannt und mit einem Postulat vom Kanton einen Vorschlag verlangt. Für einmal fand ein wichtiges Anliegen aus dem Asylbereich eine grosse Mehrheit.
Wir waren fleissig
- Interpellation Colette Basler, SP, Zeihen, Lelia Hunziker, SP, Aarau, vom 23. April 2024 betreffend Controlling der Sonderschulung und die Verteilung von Ressourcen
- Motion Colette Basler, SP, Zeihen (Sprecherin), Buchs, Martin Brügger, SP, Brugg, Claudia Rohrer, SP, Rheinfelden, vom 23. April 2024 betreffend Verbot von Schottergärten im Kanton Aargau
- Motion der SP-Fraktion (Sprecher Stefan Dietrich, Bremgarten) vom 23. April 2024 betreffend Einführung 1. Mai, Tag der Arbeit, als zusätzlichen gesetzlichen Feiertag im Kanton Aargau