Liebe Genoss:innen
Zwei Tage nach den Wahlen war die Katerstimmung heute noch zu spüren. Und, es war kein Kater in Form eines schnurrenden Büsis und es war schon gar kein Kater aufgrund von knallenden Korken am Sonntag. Wir sind frustriert und wir sind traurig. Am Sonntag hat die SP Aargau bei den Grossratswahlen das drittschlechteste Resultat in der Geschichte erzielt. 2019 – bei den letzten Wahlen – hat die SP 2.37% und damit drei Sitze verloren. Die Grünen haben damals vier Sitze gewonnen – es war also quasi ein linkes Ringelreihen. Dumm nur, dass die Grünen am Sonntag vier Sitze verloren und die SP keinen gewann. Dafür haben Rechtskonservativ (FDP, SVP und EDU) gewonnen. Sie haben nun 73 Sitze. Sie haben also über 50% und brauchen für Entscheide weder die Mitte, noch die GLP noch die EVP. Derweil wir in den letzten vier Jahren taktisch geschickt mit vielen Kompromissen noch Mehrheiten erarbeiten konnten, wird das in der nächsten Legislatur nicht mehr möglich sein.
Wir haben mit Euch einen engagierten Wahlkampf geführt. Wir haben plakatiert, telefoniert, Äpfel und Flyer verteilt, gepostet, geliked und vor allem politisiert: mit Vorstössen, in Debatten, in Diskussionen, Leser*innenbriefen, Blogs und auf der Strasse. Herzlichen Dank!
Und trotzdem: Das Resultat ist nicht zufriedenstellend. Wir konnten unsere Wähler*innenschaft nicht erreichen, zu viele haben nicht gewählt. Wir konnten mit unseren Themen und Ideen nicht genügend überzeugen. Während die SP in der Schweiz leicht gewinnt – verliert sie im Aargau. Wir müssen hinschauen und analysieren. Viele sagen: Das ist halt der Aargau. Der ist rechts und konservativ. Nein – damit geben wir uns nicht zufrieden. Wir sind der Aargau. Wir stehen ein für Zukunft, für Menschlichkeit, für Solidarität, für Innovation, für Nachhaltigkeit und wir ergreifen Partei für Menschen – für alle Menschen. Das ist unser Aargau!
Nun müssen wir neue Politik lernen. Oppositionspolitik? Eine Politik mittels Referenden? Wir müssen den Abbau, der zu befürchten ist, aufzeigen und benennen. Und wir müssen vor allem auf die Menschen Acht geben, die auf der Strecke bleiben. Weil die Kaufkraft sinkt, weil die Gesundheitsversorgung schlechter wird, weil die Sorgfalt in der Bildung verloren geht. Wir müssen für diese Menschen mehr denn je da sein.
Dafür brauchen wir Euch, liebe Mitglieder. Wir brauchen euch auf der Strasse für Referenden, wir brauchen euch in jeder Stube, an jedem Küchentisch, an jeder Pausen-Kaffee-Maschine: wir müssen die Menschen im Kanton von der Kraft der Sozialdemokratie überzeugen.
Solidarisch
Mia, Lelia, Rolf und Alain
P.S. Und ja, wir freuen uns auf die neuen Gspönli, und ja, wir sind sehr traurig, dass Kollegen uns verlassen. Freiwillig und unfreiwillig: Lieber Rolf, du warst ein super Kumpel, ein treuer Genosse, ein versierter Vernetzer, ein Schlachtross der Sozialdemokratie. Wir werden dich sehr, sehr, sehr vermissen.
Lange Debatte um das Volksschulgesetz (und noch nicht fertig)
90% der Ratssitzung bestand heute aus der Debatte um die Totalrevision des Schulgesetzes in der ersten Lesung. Dieses Gesetz stammt aus dem Jahr 1981 und wurde über die Jahre zu einem Flickenteppich. Nun soll das Gesetz auseinandergenommen werden in ein Volksschulgesetz und ein Mittelschulgesetz und beides ist hochumstritten. Über 40 Stunden hatte bereits die Kommission in die Beratung der Gesetze investiert und noch immer rieselt es Anträge rein. Teilweise glich die Sitzung einem tiefen Einblick in die Kommissionsarbeit der Kommission Bildung, Kultur und Sport.
Und was für Anträge wir heute besprechen mussten!
Das begann damit, dass die Mitte “christliche Werte” in der Ausrichtung der Schule verankern wollte (gescheitert). Dann kam die Lawine der SVP, äh FDP. Zunächst sollte die Zurverfügungstellung für Kurse in heimatlicher Kultur und Sprache, sprich die Italienischschule oder die Bosnisch-serbische-kroatische Schule, gestrichen werden. Genau diese Kurse haben in der Schweiz eine lange Tradition, stärken unsere kulturelle Vielfalt und helfen in der Inklusion. Das Verbot wurde knapp abgelehnt. Weitere mittelalterliche Vorschläge waren beispielsweise, dass man die Abschlussprüfungen in allen Stufen wieder einführen wollte oder dass öffentlich gemacht werden sollte, welche Gemeinde wie bei den Checks abschliesst. Gerade letzteres führt dazu, dass Schulen verglichen werden und dann Lehrer*innen, Gemeinden und Schüler*innen noch mehr unter Druck geraten, statt sich auf einen sinnvollen Unterricht konzentrieren zu können. Damit würde es Rankings geben, die nicht aussagekräftig sind, aber als solche gelesen werden und das “wäre das Ende der öffentlichen Schule” (Zitat Alex Hürzeler, SVP-Regierungsrat). Schulen in einer Umgebung mit einer Sozialstruktur mit hoher Bildung werden immer besser abschneiden und andere weniger. Das ist kein sinnvolles Ranking. Kinder sind unterschiedlich und das ist gut so.
Es würden mit Rankings nicht mehr alle Kinder gleich behandelt und Bildung wäre nicht mehr für alle gleich offen, weil die Schulen alles auf diese Rankings ausrichten werden, wie die USA zeigen.
Alle diese Anträge wurden abgelehnt, aber denkbar knapp. Da dies die erste Beratung des Gesetzes war und bei der zweiten Beratung die Zusammensetzung des Parlaments Rechtsaussen gewichtet sein wird, müssen wir das Allerschlimmste befürchten.
Das Mittelschulgesetz konnten wir heute nicht mehr besprechen. Die Diskussionen werden aber potentiell nicht weniger grüselig.
Heute haben wir keinen Vorstoss eingereicht.