Liebe Genoss:innen
Heute starteten wir im Grossen Rat mit Volldampf in die neue Legislatur – und gleich fühlte es sich an wie der Beginn einer neuen Ära. Zwischen Steuerdebatten, Gesundheitsgesetz, den ersten Bildungsdebatten unter Regierungsrätin Bircher und der Initiative «Lohngleichheit im Aargau – jetzt!» ging es ordentlich zur Sache.
FDP und SVP fahren ihre Mehrheit aus wie einen frisch polierten Sportwagen, und wir müssen uns für die nächsten Jahre mit Ausdauer, Taktik und einer gehörigen Portion Nerven bewaffnen. Ach ja, unser erster «Sprung über den Schatten» war mit einer unheiligen Allianz auch dabei – das Abenteuer hat begonnen!
Solidarisch
Alain, Rolf, Alain und Mia
Lohngleichheit
Vielleicht habt ihr auch gesammelt. Vielleicht habt ihr auch diskutiert. Vielleicht habt ihr Euch auch gefreut, dass die Initiative von ArbeitAargau zu zustande kam. Wir haben uns gefreut und wir wussten, es wird schwer im Rat. Aber dass es so schwierig und vernichtend würde, damit haben wir nicht gerechnet.
Die Initiative will zwei Dinge:
- Wiedereinführung der Fachstelle Gleichstellung
- Lohngleichheitsanalysen bei Betrieben ab 50 Mitarbeitenden, statt ab 100 Mitarbeitenden wie vom Bund verlangt
Nicht mehr und nicht weniger. Und das Chaos bricht aus in unserem wunderbaren Politsystem. Das wäre zu aufwändig, für “die Wirtschaft” nicht zu bewältigen, man würde den Unternehmer:innen Sand ins Getriebe ja geradezu Knebel zwischen die Beine werfen. Weil das sei u-mega kompliziert: eine Excel-Tabelle ausfüllen – naja, sollte noch zu schaffen sein. Und sowieso, erstaunlich ist, dass in den Unternehmen der gesamten rechten Ratshälfte keine einzige Frau weniger verdient als ein Mann. Das sei ein Mythos. Es stünde ja längst in der Verfassung, dass es gar nicht so sein darf. Die Bösen sind also die anderen. Wohl die Frauen, die behaupten, sie werden um viele Batzen geprellt. Und ja, es gibt auch Frauen, die nicht mehr verdienen wollen. 🤮🤢😩😖🤨😩🧐🥺. Genoss:innen – ihr ahnt es: es ist schon lange nicht mehr lustig. Es ist himmelherrgotttraurig.
Fakt ist, dass Frauen – auch heute noch – 717 Franken weniger verdienen pro Monat als Männer. Das ist Mathematik und Statistik. Wir bleiben drauf und dran und wir sagen es wie ein Mantra: Lohngleichheit jetzt!
Die Initiative wurde im Rat mit 97 Nein zu 35 Ja Stimmen abgelehnt. Aber: wir lassen uns nicht entmutigen. Am 18. Mai soll die Bevölkerung darüber entscheiden. Wir freuen uns auf den Abstimmungskampf.
Eigenmietwert: Verantwortungslos und undemokratisch
Vor einigen Wochen hat der Grosse Rat das erste Umsetzungspaket der Steuerstrategie beschlossen. Zentraler Baustein dieser Strategie ist die Erhöhung des Eigenmietwertes. Nur kurze Zeit später hat das nationale Parlament dessen Abschaffung beschlossen. Die Vorzeichen für die Aargauer Steuerstrategie ändern sich damit grundlegend. Statt Mehreinnahmen kommt es zu hohen Steuerausfällen. Trotzdem will die Mehrheit an Steuersenkungen für die Reichsten festhalten. Für unsere Motion, die kantonale Referendumsabstimmung bis zum Volksentscheid über die Abschaffung des Eigenmietwertes aufzuschieben, haben wir heute einen Antrag auf dringliche Behandlung gestellt. Warum? Es macht nur Sinn diese Motion zu behandeln, wenn wir die Grundlagen rechtzeitig haben. Also vor der geplanten Abstimmung über die Steuergesetzrevision. Sonst kaufen die Aargauer:innen die Katze im Sack. Der bürgerlichen Mehrheit ist das offensichtlich egal. Sie will die Steuersenkungen durchboxen, auch wenn damit hohe Steuerausfälle drohen. Die sonst so erpichten Hüter:innen der Demokratie lassen die Stimmbevölkerung im Dunkeln tappen und haben sich eindeutig gegen klare Fakten ausgesprochen. Wir sind empört und fassungslos.
Abgeschmettert, Abgesägt: autsch – diese Machtdemonstration tat weh
Mit einem Postulat forderten wir die Einführung allgemeingültiger, kantonaler Mietzinsrichtlinien in der Sozialhilfe des Kantons Aargau. Diese sollen analog zu den Ergänzungsleistungen nach regionalen Marktmieten (Stadt, Agglomeration, Land) gestaltet werden. Ziel war eine transparente, einfache und gerechte Lösung zur Entlastung der Sozialbehörden und die Vermeidung ungleicher Belastungen für Sozialhilfebeziehende in verschiedenen Gemeinden.
Sogar der Regierungsrat war dafür. Der Regierungsrat wollte ein Werkzeug entwickeln, um die Preise zu vergleichen und zu harmonisieren. Aber: wir hatten die Rechnung nicht mit der rechtskonservativen Mehrheit des Rates gemacht: Die FDP lässt uns die neue Mehrheit spüren. Läck sind wir hässig. Das Postulat betreffend kantonalen Mietzinsrichtlinien in der Sozialhilfe wurde mit 65 zu 69 Stimme abgelehnt. Zwar knapp – aber das gibt auch keine warme Suppe zum z’Nacht. Und dies obwohl der SVP-Regierungsrat-Gallati, “unser” Regierungsrat quasi, das Postulat entgegen genommen hätte und ziemlich engagiert dafür warb.
Dabei liegt soviel im Argen: Hast du gewusst, dass nur in 19 Aargauer Gemeinde der Betrag der Mietzinsrichtlinien ausreicht, um die durchschnittliche Marktmiete zu begleichen? Mehr dazu findest du hier: www.mietlimite.ch. Uff – nun brauchen wir Schoggi.
Mentor:innen gesucht, am besten gratis!
An unseren Schulen fehlen die Fachkräfte. Das ist nichts Neues. Das ist auch allen bewusst. Heute ging es darum, Quereinsteigende, die während ihrem Studium zu unterrichten beginnen, auch zukünftig durch Mentor:innen begleitet werden. Das ist nicht nur sinnvoll, das ist auch eine Ausbildungsvorgabe der EDK. Doch Mentor:innen, also Lehrpersonen, die zusätzlich Quereinsteigende betreuen, kosten Geld. Wir finden das Mentorat eine gute Investition, denn jede fünfte Lehrperson quittiert den Schuldienst in den ersten fünf Jahren nach dem Studium. Die Ratsmehrheit sah es anders. Das bezahlte Mentorat wird zwar weitergeführt, aber nur auf vier Jahre befristet.
Danach soll eine andere Finanzierung gefunden werden, beispielsweise über Gelder aus dem Lohnabzug für nicht qualifizierte Lehrpersonen oder durch eine Anpassung des Berufsauftrags. Immerhin wird es weitergeführt. Eigentlich wäre eine Begleitung für alle PH-Studierenden, die bereits an Schulen unterrichten, sinnvoll, unabhängig vom Studiengang. Denn diese Mentorate leisten aktuell die Lehrer:innen an den Schulen vor Ort gratis neben Unterricht planen, durchführen, auswerten, beraten, fördern, korrigieren, beurteilen, erziehen, zusammenarbeiten, weiterbilden, organisieren, entwickeln, evaluieren,…
Für einmal grosse Einigkeit
Unter dem sperrigen Titel «Taxoptima» nahmen wir heute auch einen Fachbericht zur Kenntnis, der im Aargauer Steuerwesen organisatorische Neuerung mit sich bringen soll. Die Gemeinden sollen neu den Steuerbezug durch den Kanton erledigen lassen. Die Erbschafts- und Schenkungssteuern werden künftig zentral durch eine neue Stelle beim Kanton erhoben. Ausserdem wird die Steuerkommission abgeschafft. Damit sind wir einverstanden, finden aber, dass es bei der Umsetzung noch ein paar Präzisierungen braucht. Warum wir das erwähnen? Weil sich hier der Rat für heute einmal einig war. Solche seltenen Momente geben uns das Gefühl, dass wir wenigstens manchmal noch mitgestalten dürfen.
- Motion der Fraktionen SP (Sprecher Rolf Schmid, Frick) und Grüne vom 14. Januar 2025 betreffend Moratorium für das 1. Umsetzungspaket der Steuerstrategie
- Postulat Colette Basler, SP, (Sprecherin), Thomas Baumann, Grüne, Matthias Betsche, GLP, Christian Minder, EVP, Gabi Lauper Richner, SP, Andy Steinacher, SVP, Andre Rotzetter, Mitte, Martin Brügger, SP, Robert Müller, SVP, Michael Wacker, SP, Claudia Rohrer, SP, Kurt Gerhard, SVP, vom 14. Januar 2025 betreffend Bericht zu Anreizsystemen zur Minimierung von Schottergärten und versiegelten Flächen im Siedlungsgebiet
- Interpellation Lelia Hunziker, SP, Aarau (Sprecherin), Barbara Stocker Kalberer, SP, Strengelbach, Dr. Lucia Engeli, SP, Unterentfelden, Béa Bieber, GLP, Rheinfelden, vom 14. Januar 2025 betreffend Long Covid im Kanton Aargau: Strategien und Massnahmen