
Liebe Genoss*innen
Heute fand die erste Sitzung im Grossen Rat nach den Sommerferien statt. Wir kamen alle erholt und voller Energie zurück. Besonders gefreut hat uns, dass Colette Basler wieder mit dabei ist: Herzlich willkommen, Colette – schön, bist du zurück!
Leider stand dann gleich der seit vor den Sommerferien verschobene Vorstoss zur Bezahlkarte für Asylsuchende auf der Traktandenliste. Viele Menschen sassen auf der Tribüne und mussten sich anhören, wie über sie gehetzt, gehasst und hergezogen wurde. Es war schlicht entwürdigend. Der Vorstoss wurde mit grosser Mehrheit überwiesen. Aus dem Nichts wurde ein angebliches „Riesenproblem“ konstruiert – und gleichzeitig wurden viele Menschen stigmatisiert und noch stärker an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Wir hätten da eine sehr gute Idee: Wir können die Fr. 30, welche wir Grossrät*innen für das Mittagessen als Spesen bekommen, auch auf eine Bezahlkarte laden, einzulösen nur in Aarau und nur am Dienstag. Wir wären ja gespannt, wer dann als Erstes laut und deutlich „Freiheit!“ schreien würde. Spass beiseite: Lustig ist es schon lange nicht mehr.
Über Mittag gab es die traditionelle Wurst der AKB – in Fleisch und Vegi. Wir genossen die spätsommerliche Sonne und vor allem den Austausch. Denn: Die AKB ist wichtig. Bankwesen ist Service public – und gehört nicht in den Schlund des Kapitalismus.
Solidarisch
Eures Rote Protokoll

Bezahlkarte für Asylsuchende: Teuer, nutzlos, entwürdigend
Wenn es kein Problem gibt, dann wird rechtsbürgerlich eines konstruiert. Weil erst dann gegen unten getreten werden kann. Die Bezahlkarte ist genau das.
Der Aargauer Grosse Rat beriet über eine Bezahlkarte für Asylsuchende anstelle von Bargeld. SVP und FDP wollen damit Missbrauch verhindern. Missbrauch, den es nicht gibt. Denn mit 10 Franken Unterstützung am Tag kann niemand Schlepperbanden finanzieren. Was man damit aber erreicht: mehr Kosten, mehr Bürokratie, mehr Stigmatisierung, weniger Freiheit. Mitte-links, der Regierungsrat, der Verband der Aargauer Sozialdienste und andere Verbände lehnten den Vorstoss ab.
Mit der Karte wird das Leben für Asylsuchende künstlich erschwert: kein Einkauf ausserhalb des Aargaus, kein selbstbestimmtes Wirtschaften. Die Bezahlkarte ist nichts anderes als ein weiterer Schritt zur Bevormundung. Genau diese Einschränkungen zeigen, worum es wirklich geht: um Abschreckung und nicht um Integration. Weitere Verschärfungen werden folgen.
Wer flieht, hat das Recht, in Würde zu leben – nicht wie ein Mensch zweiter Klasse. Bargeld durch eine Karte zu ersetzen, bedeutet Kontrolle statt Vertrauen. Statt Misstrauen braucht es faire Chancen und echte Teilhabe. Wer Schutz sucht, braucht Freiheit – nicht eine Plastikkarte, die am Ende nur ausgrenzt.
Und wer ständig Freiheit und Eigenverantwortung predigt, müsste diesen Vorstoss ablehnen. Müsste. Dass ausgerechnet die FDP bei diesem antiliberalen Projekt treibende Kraft ist, ist grotesk. Diese Motion tritt nach unten, schafft eine Zweiklassengesellschaft und bläht die Verwaltung auf. Für null Nutzen.
Wir haben uns nach Kräften gewehrt – sachlich, fundiert und auch emotional. Genützt hat es nichts.
Betreuung anstelle von repressiven Massnahmen im Asylbereich
Heute hat sich der Grosse Rat für mehr Sicherheitskräfte ausgesprochen. Auch die SP-Fraktion hat dem Kredit zähneknirschend zugestimmt. Denn präventive Massnahmen, wie zum Beispiel eine bessere Betreuung rund um die Uhr oder eine sinnvolle Tagesstruktur, erhöhen das Sicherheitsgefühl nachweislich. Auch Ansprechpersonen für die Bevölkerung sind entscheidend für deren Sicherheitsgefühl – dafür eignen sich Betreuende nachweislich besser.
Die SP-Fraktion fordert Investitionen in Betreuung statt Kontrolle und hat darum heute eine Interpellation eingereicht und dem Regierungsrat Fragen gestellt zu den Auswirkungen von Grossunterkünften auf die Integration, Sicherheit und deren Kosten.
Keller graben, Deponien füllen
Die Deponie «Babilon» in Dietwil nimmt heute unverschmutztes Aushub- und Ausbruchmaterial auf, das beim Bauen anfällt. In wenigen Jahren wird sie voll sein. Damit entsteht im Oberen Freiamt ein Engpass: Für Bauprojekte wie den Aushub von Tiefgaragen, Kellern oder Werkleitungen braucht es genügend Deponieraum.
Um diesen Bedarf langfristig zu sichern, hat der Kanton zusammen mit den Gemeinden eine umfassende Standortevaluation durchgeführt. Er beantragte, den Standort «Babilon» im kantonalen Richtplan festzusetzen. Kritik gab es, weil Fruchtfolgeflächen verloren gehen, die Landschaft neu gestaltet wird und von den umliegenden Kantonen Aushubmaterial im Aargau deponiert werden soll.
Verlängerung der Beschwerdefristen stärkt die politischen Rechte
Im Gesetz über die politischen Rechte wurden die Fristen von bisher drei Tagen für Stimmrechts-, Wahl- und Abstimmungsbeschwerden auf 20 Tage verlängert. Wir folgten dem Vorschlag des Regierungsrats, diese Frist auf 10 Tage zu erhöhen, da wir darin einen ausgewogenen Kompromiss sahen zwischen dem Interesse an der Stärkung politischer Rechte – was vor allem angesichts immer komplexerer Vorlagen für längere Fristenläufe sprechen würde – und einem öffentlichen Interesse, möglichst bald Klarheit zu haben, was hingegen für kurze Fristenläufe spricht. Die Mehrheit des Grossen Rates hat sich für die längere Frist von 20 Tagen ausgesprochen. Bevor dies aber umgesetzt wird, wird der Grosse Rat im Rahmen einer zweiten Beratung des Gesetzes noch einmal Gelegenheit haben, darüber zu debattieren.

- Interpellation der SP-Fraktion (Sprecherin Lea Schmidmeister, Wettingen) vom 26. August 2025, betreffend Kosten, Sicherheit und Lebensbedingungen von geflüchteten Menschen in unterirdischen und oberirdischen Grossunterkünften gegenüber mittleren und kleinen Einrichtungen
- Postulat Alain Burger (Wettingen), betreffend Ausgleich der vom Bund angekündigten J+S-Kürzungen durch den Kanton Aargau
- Postulat Alain Burger (Wettingen) vom 26. August 2025, betreffend Ausbildungspflicht bis zum 18. Altersjahr