Rotes Protokoll vom 4. November 2025

Liebe Kolleg*innen
Heute – an diesem goldenen Herbsttag – war die Stimmung im Rat wie das Wetter: mal Sonne, mal Nebel, mal Sturm, mal einfach grau – und manchmal einfach Ciao!

Und mittendrin ein Vorstoss, der exemplarisch zeigt, wie Politik hier tickt – und warum wir uns ernsthaft Sorgen machen.

Ihr erinnert euch: Im August beschloss der Grosse Rat die Einführung einer Bezahlkarte für Asylsuchende. Die Ratsrechte pries das an als modern, digital, effizient. Wer kritisierte, wurde als ewiggestrig, geradezu als hinterwäldlerisch abgestempelt. Klar war: Es ging der Ratsrechten nicht um Lösungen, Effizienz und Moderne, sondern um Kontrolle, Regulierung und Stigmatisierung von Asylsuchenden.

Und jetzt? Keine drei Monate später reichen Mitte und SVP einen Vorstoss ein, der Gastronom*innen im Aargau verpflichten will, Bargeld anzunehmen. Warum? Weil eine Frau im Restaurant eine Schoggi-Banane nur digital bezahlen konnte. Und so entging der lieben Frau die lecker-schmecker Banane, weil sie “nur” Bares hatte. Und plötzlich: Bargeld wird zum Freiheitskampf.

Digitalisierung – ja. Aber bitte mit Vernunft. Nicht die einen zur Digitalität zwingen und die anderen zum Bargeld. Das ist Willkür. Das ist Klientelbewirtschaftung. Das ist politischer Slalom ohne Kompass.

Rechtskonservativ dreht dort an den Schrauben, wo es passt: Blitzer? Bösartig. Kontrolle bei Asylsuchenden? Aber sicher, überall und jederzeit. Unternehmen sollen möglichst frei sein – ausser wenn es um den Beizer an der Ecke geht. Dann plötzlich Zwang. Wegen einer Schoggi-Banane.

Das macht ratlos. Das macht Sorgen. Und ja, es macht traurig. Wir brauchen Pläne für Lösungen. Für alle. Wir sind da, wir bleiben dran – zusammen mit euch.

Solidarisch
Carol, Selena, Luzia, Arsène, Lelia

Fraktionserklärung der SP, verlesen von Lucia Engeli, Präsidentin SP Aargau: Menschlichkeit zeigen – Kinder aus Gaza aufnehmen

Der Bund hat die Kantone gebeten, verletzte Kinder aus dem Gazastreifen aufzunehmen – Kinder, die Opfer eines grausamen Krieges wurden und dringend medizinische Hilfe brauchen. Der Regierungsrat hat diese Bitte mit Verweis auf Sicherheitsbedenken und die sogenannte Asylnotlage abgelehnt. Für uns ist klar: Diese Argumente tragen nicht.

Die Kinder, um die es geht, werden vom Bund sorgfältig geprüft. Sie sind keine Sicherheitsrisiken – sie sind Kriegsopfer. Wer in dieser Situation Misstrauen statt Mitgefühl zeigt, verliert das Wesentliche aus den Augen: Es geht um Menschlichkeit.

Auch die Sorge um die Kapazitäten überzeugt nicht. Die Aufnahme einiger weniger Kinder würde unser Asylsystem nicht belasten. Unsere Spitäler verfügen über das nötige Wissen und Herz, um zu helfen. Wenn wir in einer solchen Notlage sagen, «wir können nicht», dann fehlt es nicht an Möglichkeiten, sondern am Willen.

Die Aufnahme dieser Kinder wäre ein starkes Zeichen der Solidarität – ein Bekenntnis zur humanitären Tradition unseres Landes. Wir können nicht alle retten, aber für diese Kinder kann unsere Hilfe den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten.

Solidarität ist keine Schwäche – sie ist unsere Stärke.

Sitz! Platz! Kurs! – Aargau führt (vielleicht) wieder Hundekurse ein.

Wer zum ersten Mal einen Hund hält, soll künftig wieder einen obligatorischen Kurs besuchen müssen. Zwar wurde die ursprüngliche Motion abgeschwächt – aber als Postulat dafür deutlich überwiesen. Ein pragmatischer Schritt in Richtung mehr Sicherheit und Tierwohl.

Die Debatte? Emotional, parteiübergreifend und persönlich: Von Labrador-Geschichten über überforderte Ersthalter*innen bis hin zu voll belegten Tierheimen war alles dabei. Selbst Regierungsrat Gallati meinte trocken: «Hundedebatten sind traditionell interessant.»

Die SP ist überzeugt: Ein bereicherndes Zusammenleben von Mensch und Hund braucht Schulung – auf beiden Seiten der Leine.

Zwar will der Regierungsrat lieber abwarten, was der Bund tut, zeigt sich aber offen für eine schlanke Aargauer Lösung, sollte national nichts passieren. So oder so: Wir bleiben dran.

Ein kleiner, aber wichtiger Erfolg für Mensch und Tier. Weniger spontane Hundeanschaffungen, besser ausgebildete Halter*innen – und vielleicht ein paar Bisse weniger. Sitz, Platz, und los!

Eine Geburt ist mehr als Medizin – aber sie braucht Sicherheit

Das Spital Muri schliesst die Geburtenabteilung per Ende 2025, was Auslöser für die Forderung war, dass der Kanton die Geburtshilfe als Teil der Grundversorgung anerkennt und sicherstellt, dass in allen Regionen des Aargaus Geburten unter medizinisch gesicherten Bedingungen möglich bleiben.

Eine Geburt ist ein hochintimes Ereignis – wahrscheinlich eines der prägendsten im Leben. Dass werdende Eltern sich Nähe und Geborgenheit wünschen, ist vollkommen verständlich. Doch Nähe darf nicht mit Sicherheit verwechselt werden. Entscheidend ist, dass Mutter und Kind medizinisch bestmöglich versorgt sind – nicht, dass jedes Spital eine Geburtenabteilung führt.

Regierungsrat, Parlament und auch wir teilen das Anliegen einer sicheren, menschlich zugewandten Geburtshilfe. Aber wir tragen die Verantwortung für das Ganze: für Qualität, Fachpersonal und eine finanzierbare Gesundheitsversorgung im ganzen Kanton. Deshalb setzt er auf Kooperation, Spezialisierung und neue Versorgungsmodelle – damit jede Geburt sicher bleibt, wo immer sie geschieht.

Schutz vor Gewalt kennt keine Kantonsgrenzen

Mit einer breit abgestützten Motion soll eine Lücke im schweizerischen Bedrohungs- und Gewaltschutzsystem geschlossen werden. Denn heute enden Schutzmassnahmen an der Kantonsgrenze. Wer bedroht oder gefährdet ist, braucht Schutz – egal ob im Aargau, in Luzern oder in Bern.

Die Schweiz hat sich mit der Istanbul-Konvention verpflichtet, wirksame Strukturen zum Schutz vor Gewalt zu schaffen. Das funktioniert nur, wenn die Kantone zusammenarbeiten und ihre Massnahmen gegenseitig anerkennen. Da aber das Territorialitätsprinzip Grenzen setzt, ist eine kantonale Lösung juristisch schwierig.

Darum lassen wir – wie vom Regierungsrat vorgeschlagen – die Motion als Postulat überweisen. Damit erhält der Regierungsrat den Auftrag, im Rahmen einer breiteren Perspektive zu prüfen, wie ein kohärenter, national abgestimmter Gewaltschutz möglich wird, der die Wirkung nicht im Föderalismus verliert.

Wir wollen tragfähige, rechtssichere Lösungen im nationalen Kontext – im Sinne von Verantwortung, Solidarität und echtem Schutz vor Gewalt.

Wohnen statt Rendite – Wissen statt Wegschauen

Wohnen ist ein Grundbedürfnis – und ein Grundrecht. Wenn Menschen keine bezahlbare Wohnung mehr finden, ist das sozialpolitisches Versagen. Der Kanton muss Verantwortung übernehmen: mit aktiver Bodenpolitik, Förderung gemeinnütziger Wohnformen, Vorkaufsrechten für Gemeinden und klaren Vorgaben für preisgünstigen Wohnraum.

Ein überparteiliches Postulat forderte eine Analyse, welche Massnahmen im Aargau wirksam gegen Wohnungsknappheit und steigende Mieten sind. Nur so kann der Kanton sein verfassungsmässiges Recht auf Wohnen einlösen – und eine Wohnbaupolitik schaffen, die Menschen schützt statt Renditen.

Aber nur schon eine Analyse ist der rechtsbürgerlichen Mehrheit zu viel. Wer eine Analyse verweigert, will die Realität nicht sehen: steigende Mieten, fehlender Wohnraum, Verdrängung. Ohne Wissen bleibt die Politik blind – und überlässt das Grundrecht auf Wohnen den Investoren.

Transparenz: Wie Ratsdebatten zur Farce werden

Eigentlich war es erstaunlich, dass 2021 gerade aus Kreisen der FDP die Forderung zur Umsetzung von Transparenzregeln in der Politikfinanzierung mittels einer Motion kam. Die Umsetzung dieser Forderung sollte heute nach Behandlung in Kommission und öffentlicher Vernehmlassung in 1. Lesung im Grossen Rat besprochen werden.

Was sich jedoch in der Ratsdebatte abspielte, ist ein Paradebeispiel für die politische Beliebigkeit der rechtsbürgerlichen Mehrheit. Die FDP, die ursprünglich Transparenz analog zum Bund verlangte, schwenkt plötzlich auf Nicht-Eintreten um, sekundiert von SVP und Mitte. Daneben wurden im Vorfeld Minderheitsanträge eingebracht, die die Schwellenwerte, die auf Bundesebene für die Offenlegung bei Kampagnen und Einzelspenden gelten, sogar verdoppeln wollten – ein durchschaubarer Versuch, Transparenz zu verhindern, während man sie öffentlich propagiert.

Diese Art von Politik ist widersprüchlich und unseriös. Sie zeigt, wie wenig ernst es SVP und FDP mit demokratischer Rechenschaft meinen. Wer Transparenz fordert und sie gleichzeitig sabotiert, betreibt keine verantwortungsvolle Politik, sondern Symbolpolitik auf Kosten der Glaubwürdigkeit.

Inklusion Ja, aber bitte ohne Kosten

Es ist ein weiterer bitterer Moment für die soziale Verantwortung im Kanton Aargau: Das Konzept zur Schaffung von Arbeitsplätzen für Menschen mit besonderen Betreuungsbedürfnissen wurde im Grossen Rat ganz knapp abgelehnt – und das, obwohl es ein starkes, solidarisches Zeichen für Inklusion gesetzt hätte.

Die SP Aargau hat sich klar für das Konzept ausgesprochen: 40 bis 50 neue Stellen für Menschen mit besonderen Betreuungsbedürfnissen hätten in der kantonalen Verwaltung geschaffen werden sollen bis 2030, mit strukturiertem Stufenmodell, einer zentralen Fachstelle und Sensibilisierung der Führungskräfte – all das wäre ein guter Schritt in Richtung Gleichstellung und gesellschaftlicher Teilhabe gewesen. Doch was macht die rechtsbürgerliche Mehrheit? Doch doch, Inklusion und Teilhabe am Arbeitsmarkt seien wichtig. Aber Geld von Seiten Kanton in die Hand nehmen? Nein, das lieber nicht, da sollen sich bitte andere darum kümmern. Diese Politik ist einfach nur kurzsichtig und beschämend.

Es werden jeweils die Vorstösse aufgelistet, bei welchen eine SP-Person Sprecher*in ist.

  • Interpellation Stefan Dietrich, SP, Bremgarten, vom 4. November 2025 betreffend Gesundheitsrisiken und Gewässerqualität der Reuss – Lehren aus den Erkrankungen bei Übungen der Polizeischule Hitzkirch
  • Interpellation Barbara Stocker Kalberer, SP, Strengelbach (Sprecherin), Dr. Lucia Engeli, SP, Unterentfelden vom 4. November 2025 betreffend missbräuchliche Verwendung von kantonalen Förderbeiträgen im Rahmen der Umsetzung der Pflegeinitiative
  • Interpellation Martin Brügger, SP, Brugg (Sprecher),  Luzia Capanni, SP, Windisch, Alain Burger, SP, Wettingen, vom 4. November 2025 betreffend Entscheid »Leuchtturm» Kulturförder-Beitrag ans Odeon Brugg 

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed