Durchlässigkeit muss sein!

Der Spätsommer brachte dem Grossen Rat mit dem neuen Schulgesetz eine emotionale Debatte über die integrative Schule. Wie lässt sich Chancengerechtigkeit umsetzen in einem Parlament, das mehrheitlich auf Separativen Unterricht und Förderklassen setzt?

Von Alain Burger, Co-Fraktionspräsident SP Aargau, Wettingen

Das neue Schulgesetz enthält einige Verbesserungen: Die frühe Förderung vor dem Kindergarten wird gesetzlich verankert, ebenso der Sprach- und Kulturaustausch innerhalb der Schweiz. Kinder- und Jugendverbände erhalten Zugang zu Fördergeldern, und ein kantonales Bildungsmonitoring wird endlich eingeführt. Doch wichtige Chancen wurden verpasst: Keine kleineren Klassen, keine bessere Durchlässigkeit in der Oberstufe, keine Fortschritte bei der Chancengerechtigkeit. Gleichzeitig nimmt die Vielfalt im Klassenzimmer zu: Kinder mit verschiedenen Muttersprachen, aus unterschiedlichen Kulturen, mit Diagnosen wie ADHS oder Autismus. Das neue Schulgesetz setzt hier keine Impulse.

Förder- und Spezialklassen
Die Aargauer Regierung hingegen schon: Sie definiert die integrative Schule neu. Kinder mit «besonderen Bedürfnissen» sollen zwar im gleichen Schulhaus wie alle anderen unterrichtet werden, aber nicht zwingend in derselben Klasse. Im Aargau heissen Kleinklassen neu «Förderklassen». Zusätzlich sollen Spezialklassen dafür sorgen, dass weniger Kinder in Sonderschulen müssen. Noch weiter geht die FDP, die den heilpädagogischen Unterricht ganz aus dem Klassenzimmer verbannen will.

Integration statt Stigmatisierung
Die SP kämpft nicht gegen Förderklassen als ergänzende Massnahme, sondern gegen den Rückschritt, den die Abschaffung der integrativen Schulung bedeuten würde. Denn wenn Kinder getrennt werden, verlieren viele von ihnen mehr als nur den Anschluss im Unterricht: Sie verlieren Motivation, Selbstvertrauen und oft auch ihre Perspektiven. Besonders betroffen sind Kinder aus fremdsprachigen oder einkommensschwachen Familien – und das nicht
nur wegen ihrer schulischen Leistungen! Darum fordern wir: Der Weg zurück in die Regelklasse muss jederzeit offenstehen, und zwar einfach, schnell und ohne Hürden. Bildung muss durchlässig sein und Aufstiege ermöglichen, damit wir auch morgen noch Talente haben, die das Erfolgsmodell Schweiz voranbringen.

Offene Fragen
Viele Fragen bleiben offen: Wer gehört in Förderklassen? Wie sollen sie finanziert werden? Woher kommen die benötigten Lehrpersonen und Heilpädagog:innen? Und wo sind die passenden Räume? Klar ist: Die Mehrheit im Grossen Rat setzt auf Separation statt Integration – und gleichzeitig auf Sparmassnahmen. Sonderschulen bleiben überlastet, Spezialklassen sind nur eine kurzfristige Lösung. Langfristig muss es der Politik gelingen, dass alle Kinder im Aargau von guter Bildung profitieren – nicht nur jene, die keine Mühe machen.

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