Von Mia Jenni, Co-Fraktionspräsidentin SP Aargau, Obersiggenthal
Zu Beginn der Legislatur, noch vor der ersten Ratssitzung, führte ich im Radio ein Streitgespräch mit SVP-Fraktionspräsident Pascal Furer. Es war klar, dass sie die nächsten vier Jahre bestimmen werden, und ich erinnerte sie an ihre nun staatstragende Rolle.
FDP und SVP im Gleichschritt
Trotz Furers Bejahen muss nach einem halben Jahr festgehalten werden: Nichts und niemand ist der Ratsmehrheit aus SVP/FDP heilig. Dabei sind die beiden Parteien kaum mehr voneinander zu unterscheiden. Die meisten Entscheidungen fallen unisono und ohne Abweichungen innerhalb der beiden Fraktionen. Davon profitiert die SVP, die als Meinungsmacherin aus allen Entscheidungen rausgeht, während die liberale Identität der FDP in rasendem Tempo zerfällt. Es ist die Pflicht eines jeden Ratsmitglieds, sich für das Wohlergehen des Kantons und dessen Bevölkerung einzusetzen. Davon spüren wir seitens der FDP/SVP-Mehrheit nichts. Stattdessen bauen sie Zugeständnisse und Steuergeschenke an die Reichsten aus und treten nach unten. So bestimmten sie etwa, dass Menschen im Aargauer Asylsystem künftig ihre 10 Franken pro Tag nur noch via Bezahlkarten erhalten sollen. Das kostet den Kanton eine halbe Million und macht allen Betroffenen das Leben noch schwerer. Mit dem Entscheid, dass der Aargau sich für stärkere Grenzkontrollen einsetzen soll, schlagen beide Parteien in die gleiche Kerbe und entlarven zugleich ihre Unehrlichkeit: Auf nationaler Ebene stimmten sie für den Stellenabbau beim Grenzkorps. Ein weiteres Fiasko steht aufgrund des Entscheids der erzwungenen Wiedereinführung von Kleinklassen bevor. Wer diese zusätzlichen Stellen besetzt und wie dafür der Raum zur Verfügung gestellt werden soll, sind dabei noch die einfachsten Fragen. Aber Hauptsache, FDP/SVP können
ihre Politik der Separierung auf Kosten der Steuerzahlenden vorantreiben. Zugenommen haben auch die Standesinitiativen der SVP/FDP. Sei es, dass sich die Aargauer Regierung nun für den Neubau von AKWs einsetzen muss oder dass sie den Autobahnausbau auf nationaler Ebene vorantreiben soll. Lauter politische Themen, die eigentlich von Vertreter:innen des nationalen Parlaments bearbeitet werden. Das zeigt uns zweierlei: Erstens, dass einige Vertreter:innen dieser Parteien wohl lieber in Bern sitzen würden und für sich statt fürs Gemeinwohl politisieren. Und zweitens, dass der Populismus dieser Parteien von oben nach unten weitergegeben wird, ohne dass über die Sinnhaftigkeit einzelner Forderungen, auch mit Blick auf die Arbeit der Verwaltung und der Regierung, nachgedacht wird.
Zeit für Widerstand und Engagement
Es sind bittere Tage im Grossen Rat und es ist Zeit, dass Widerstand unsere Antwort ist. Die vergangenen Monate haben nämlich auch gezeigt, dass breite Kreise der Bevölkerung mit diesem Kurs alles andere als einverstanden sind. Nur äusserst knapp wurden am 18.Mai Steuergeschenke an die Reichsten angenommen, und mit fast 60 Prozent hat die Aargauer Bevölkerung 2024 dem Klimaparagrafen zugestimmt. Es sind also wir – die Bevölkerung, die SP-Mitglieder, ihr –, die als Korrektiv mit anpacken können und müssen. Weil es uns nicht egal sein darf, wenn ein Kanton in die rechte Sosse abrutscht, sondern unsere Pflicht ist, uns zu wehren.