Die SP sorgt für eine Volksabstimmung gegen das Einbürgerungsgesetz, bekämpft Steuergeschenke und freut sich über einen neuen Grossrat aus Möhlin. Der Bericht aus dem Grossen Rat von Florian Vock.
Einbürgerungen: Sozialhilfe ist kein Verbrechen
Die SP hat mit Unterstützung der Grünen, der EVP und der GLP das Behörden-Referendum gegen das neue Einbürgerungsgesetz ergriffen. Damit kommt es im November 2019 oder Februar 2020 zu einer Volksabstimmung. Beim Behörden-Referendum müssen keine Unterschriften gesammelt werden, es braucht einfach 35 Grossrät*innen, die einem Antrag zustimmen.
Keine riesige Hürden für Einbürgerungswillige
Wer Sozialhilfe bezogen hat, müsste mit diesem neuen Gesetz 10 (!) Jahre warten, bevor er oder sie einen Antrag auf Einbürgerung stellen darf. Der Bund setzt eine Wartefrist von 3 Jahren fest (was bereits eine Verschärfung ist) und auch der Aargauer Regierungsrat unterstützte diese Frist. Der zuständige Regierungsrat Urs Hofmann betonte, dass eine 10-Jahres-Frist für Kanton und Gemeinden zu einem grossen Aufwand führen würde. Fraktionspräsidentin Claudia Rohrer kritisiert: “Die eidgenössische Hürde von drei Jahren reicht völlig aus, um die sogenannte wirtschaftliche Integration zu gewährleisten. Menschen sollen sich politisch einbringen dürfen; und zwar unabhängig vom sozialen Status.”
Armut wird zum Delikt
“Wir wehren uns entschieden dagegen, dass Armut in unserer Gesellschaft sanktioniert wird”, so Lelia Hunziker (SP, Aarau). “Die Wartefrist bei der Sozialhilfe gekoppelt an die Wohnortpflicht und vielen anderen Hürden resultiert in einer tiefen Einbürgerungsquote oder: in einem hohen Ausländerinnenanteil.” In diesem Menschenbild ist selber schuld, wer arm ist. Nicht der Arbeitsmarkt, nicht die Gesellschaft, nicht die Wirtschaft. Das lehnt die SP ab.
Steuergesetz: Wer bezahlt die Steuersenkungen?
Am 19. Mai stimmen wir über die Steuervorlage ab (STAF). Dieses Gesetz wird auf Bundesebene von der SP unterstützt. Es hat aber auch Auswirkungen auf die Steuergesetze in den Kantonen. Weil die Zeit drängt, hat der Grosse Rat bereits heute das erste von zwei Mal über dieses Steuergesetz diskutiert. Die SP hat das Gesetz abgelehnt, weil es zu Steuerausfällen zugunsten der Unternehmen führen wird. Es kommt im Sommer aber nochmals für eine zweiten Runde ins Parlament. Die SP wird für die nötigen Verbesserungen kämpfen.
Dividenden-Besteuerung
Die SP-Fraktion hat insbesondere dafür gekämpft, Gewinn aus Dividenden zu 60% zu besteuern. Obwohl unsere Gegensteuer-Initiative 80% verlangt und die Vernunft 100% sagt. Denn Löhne von normalen Angestellten werden auch zu 100% besteuert. Zahlt sich aber eine Unternehmer*in anstelle eines Lohns eine Dividende (Gewinn aus Aktien) aus, wird das tiefer besteuert. Und zwar nur zu einem Satz von 50%, denn ausser SP und Grünen unterstützte keine Partei eine Erhöhung
Kapitalsteuer
Wir versuchten, den Kapitalsteuersatz bei 1.25 Promille zu belassen und nicht auf 0.75 fast zu halbieren. Kapitalsteuern sind die Vermögenssteuern, die Unternehmen bezahlen.
Arsène Perroud sagte es deutlich: “Diese Reduktionen zu machen und gleichzeitig die Leistungen für die Bewohnerinnen und Bewohner laufend zu reduzieren, können wir nicht akzeptieren.” Dieses Geschenk an die Unternehmen wird uns 17 Mio. Franken pro Jahr kosten.
Neu im Rat: Werner Erni
Als Nachfolger für Peter Koller (Rheinfelden) ist seit heute Werner Erni aus Möhlin Grossrat. Der 55-jährige Techniker engagiert sich seit vielen Jahren für Umweltschutz und Energiewende. Seine liebste Süssigkeit ist darum auch, ganz naturverbunden, ein Apfel.
Klimadiskussion unter strengen Blicken
Die Ratstribüne ist öffentlich, spontanes Reinschauen ist jederzeit möglich. Die SP hat heute mit Voten und Vorstössen weitere Anliegen der klimastreikenden Jugendlichen aufgenommen. Gabriela Suter (SP, Aarau) sagte deutlich: “Der Klimawandel ist also nicht bloss ein Klimaproblem: Er ist ein Wirtschafts-, Sicherheits-, Artenschutz- und Friedensproblem. Die Lösung dieses Problems liegt nicht in der Eigenverantwortung“.
Neu eingereichte Vorstösse
Die SP-Grossrät*innen haben ausserdem eine ganze Reihe von Vorstössen eingereicht. Wir kämpfen weiterhin dafür, dass die Aargauer Politik wieder zum Gestalten kommt und nicht nur verwaltet und abbaut:
- Umsetzung Lehrplan 21 Modul Medien und Informatik 19.94
- Polizeiliche Erfassung von LGBTI-feindlicher Gewalt 19.95
- Frauenquote in Strategie- und Aufsichtsgremien staatsnaher Betriebe 19.113
- Hindernisfreie öffentliche Verkehrsanlagen im Busverkehr 19.115
- Sicherstellung von Bewässerungsmöglichkeiten 19.116
- Aufrüstung des Mobilfunknetzes mit 5G-Sendeanlagen 19.117
- Stellvertretung im Grossen Rat für Mütter während der Zeit des Mutterschutzes und während der Stillzeit 19.118
- Gleichstellung und Chancengleichheit in Führungspositionen in der kantonalen Verwaltung und den Gerichten 19.122
- Finanzpolitische Verantwortung des Aargauer Regierungsrats bei der Stilllegung und Entsorgung von Kernkraftwerken (KKW) 19.123
Der Regierungsrat hat nun drei Monate Zeit, zu sagen, ob er diese Anliegen unterstützt oder nicht, dann entscheidet das Parlament.