Text:
Der Regierungsrat wird aufgefordert, in der Wahlanleitung für die Wahlen des Grossen Rats den Ge-schlechteranteil im Grossen Rat darzustellen und die Relevanz der ausgewogenen Geschlechterver-tretung im kantonalen Parlament hervorzuheben.
Begründung:
Seit der Einführung des Frauenstimmrechts im Kanton Aargau im Jahr 1971 ist der Frauenanteil im kantonalen Parlament in den ersten Jahrzehnten gestiegen, danach stagnierte er allerdings. Die kan-tonale Politik ist in den letzten Jahren nicht viel weiblicher geworden, obwohl über 50 Prozent der Be-völkerung Frauen sind. Aktuell politisieren 49 Grossrätinnen und 91 Grossräte, was einem Frauenan-teil von 35 Prozent entspricht. 2005 betrug der Frauenanteil noch 36.4 %.
Ein Parlament soll die Gesellschaft widerspiegeln. Es ist deshalb staatspolitisch und gesellschaftlich wichtig, dass die Bevölkerung im Parlament repräsentativ abgebildet wird, insbesondere auch, was das Geschlecht betrifft. Studien1 belegen zudem, dass gemischte Gremien besser funktionieren, kre-ativer und erfolgreicher sind. Ausserdem bringen Frauen oft einen anderen Erfahrungshorizont mit, was dazu führen kann, dass gewisse Themen anders angegangen werden.
Im Sinn einer repräsentativen Vertretung ist daher jede Massnahme zu unterstützen, um die Wähle-rinnen und Wähler für eine ausgewogene Geschlechtervertretung zu sensibilisieren. Die Unterreprä-sentation von Frauen und vor allem die Tendenz, dass der Frauenanteil sogar zurückgeht, sind be-denklich. Die grosse gesellschaftliche Bedeutung, die ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis im Rat hat, rechtfertigt es, dass in den Wahlunterlagen darauf hingewiesen wird.
Auch dem Bundesrat ist die Unterrepräsentation der Frauen in der Politik bewusst. Er hat die Kan-tonsregierungen deshalb im September 2018 in seinem Kreisschreiben über die Gesamterneue-rungswahl des Nationalrates vom 20. Oktober 20192 gebeten, “die Wahlberechtigten auf das allfäl-lige Missverhältnis in der Repräsentation von Frauen und Männern aufmerksam zu machen”.
Die Darstellung des Frauenanteils in der Wahlanleitung und die Empfehlung für die Berücksichtigung bei den Wahlen können einen Beitrag leisten, die Wahlberechtigten auf die ausgewogene Ge-schlechtervertretung zu sensibilisieren. Die Kantone Luzern und Tessin praktizierten dies bereits mit Erfolg. Bei den kantonalen Wahlen in Luzern im März 2019 wurden die Wahlberechtigten mit einer prominent platzierten Infobox in der Wahlanleitung explizit über die “ausgewogene Vertretung von Frauen und Männern sowie aller Altersgruppen” informiert.3 Der Frauenanteil stieg gegenüber der vorgängigen Legislatur um 5 Prozent und erreichte damit den bisher höchsten Stand in der Ge-schichte des Luzerner Kantonsrats. Auch der Kanton Tessin hat in den Wahlen 2015 auf die Wichtig-keit der angemessenen Geschlechtervertretung in seiner Wahlanleitung hingewiesen. Die Tessiner Regierung hielt fest: “Frauen im Parlament: Ihre Stimme kann etwas verändern! “. Auch hier zeigte die Massnahme Wirkung: Der Frauenanteil im Kantonsrat Tessin betrug im Jahr 2011 15,5 Prozent, im Jahr 2015 lag er bei 24,5 Prozent.