Rotes Protokoll vom 13. Juni 2023

Liebe Genoss:innen

Einen Tag vor dem feministischen Streik haben wir gar nicht gestreikt. Wir haben effizient und emsig alle Traktanden abgearbeitet und waren sogar schon eine halbe Stunde früher fertig. Und das, obwohl die Mittagspause etwas länger dauerte. Warum? Die Aargauische Kantonalbank lud zur jährlichen Bratwurst. Und Vegiwurst. Und Risotto. Und Rüeblitorte. Und Wein. Und Most. Und Staatsgarantie. Ja, es war sättigend. Launig wurde draussen an der Sonne gemampft, geschluckt und verschluckt. Ein Mitglied der AKB-Geschäftsleitung (wir haben versprochen, den Namen nicht zu sagen) wurde am SP-Tisch nicht zimperlich mit den fehlenden Frauen im Kader konfrontiert. Die Einladung an den feministischen Streik schlug er aus. Er müsse arbeiten. Aha. Auf dass die Kassen klimpern – schliesslich hat der Kanton auch was davon.

Wir sind voller Vorfreude und haben eine IP mit Fragen zu den Hauptforderungen des feministischen Streikkollektiv Aargaus eingereicht. Und damit auch alle mitbekommen, dass es morgen streikt, haben wir allen Rät:innen Genderlis verteilt.

Aber lest selbst.

Solidarisch

Lelia Hunziker und Alain Burger

Wenig Feuer für Tagesschulen

Während anderswo Tagesschulen in der gesamten Volksschule zum Standard werden, gibt es derzeit im Aargau gerade einmal zwei Tagesschulen, beide in Baden. Ok, Aarau plant auch eine. Also zweieinhalb Schulen für den ganzen Kanton! In einem Vorstoss haben wir gefordert, die Rahmenbedingungen für den Aufbau und die Führung von Tagesschulen zu überprüfen. Nach zwei Jahren lautet das Ergebnis: Die Gemeinden können Tagesschulen einführen. Punkt. Amen. Aha. Da hat wohl KI gewirkt: in der Historie blättern – aber Zukunft? Das ist Nirvana. Warum gibt es dann nicht mehr Tagesschulen? Wir kritisierten das fehlende Feuer und die fehlende Strategie seitens des Bildungsdepartements. Wo bleiben Vision? Pläne? Szenarien? Ein allgemeiner Leitfaden reicht nicht aus, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Aargau zu fördern. Schade. 

Ja zum begleiteten Berufseinstieg, Nein zum Besitzstand für Pensionierte

Für das kommende Schuljahr sind immer noch 400 Stellen an den Aargauer Schulen unbesetzt. Und wir haben bereits Juni! Der Lehrpersonenmangel besteht seit Jahren und gefährdet nicht nur die Qualität, sondern das gesamte Bildungssystem. Immerhin steigen die Neuanmeldungen an den Pädagogischen Hochschulen leicht an. Doch das reicht bei weitem nicht aus, besonders, wenn frischgebackene Lehrer:innen nach kurzer Zeit den Beruf wieder aufgeben. Studien zeigen, dass die ersten zwei Jahre des Unterrichtens entscheidend sind. Aus diesem Grund haben wir einen begleiteten Berufseinstieg für Lehrpersonen gefordert. 

Rechtskonservativ erkennt zwar den Fachkräftemangel an – immerhin, denn vom Klimawandel sind noch nicht alle überzeugt – sie sind jedoch gegen jede Massnahme, die Geld kostet. Schulleitungen und erfahrene Lehrpersonen vor Ort sollten Junglehrer:innen begleiten. Leider sind genau diese Schulleitungen und Lehrpersonen bereits voll ausgelastet, da sie sich um Kolleg:innen ohne Lehrdiplom und Klassen ohne Lehrperson kümmern müssen. So geht es nicht. Der Grosse Rat folgte unserem Vorstoss und stimmte einem begleiteten Berufseinstieg zu. Hurra!

Bei einer anderen Massnahme im Kampf gegen den Lehrpersonenmangel hatten wir weniger Erfolg: Das BKS empfiehlt den Schulleitungen, pensionierte Lehrer:innen als Notmassnahme zum Bleiben zu bewegen. Blöd nur, dass es für diese Lehrpersonen im neuen Lohnsystem keinen Besitzstand gibt. Bitte bleib, aber für weniger Lohn. Solange Schulleiter:innen ihre Sonntagabende damit verbringen müssen, Vertretungen zu suchen, die bereit sind, unvorbereitet in 14 Stunden vor einer Klasse zu stehen, dann können wir uns den Besitzstand für pensionierte Lehrpersonen leisten. Anders sah es die Ratsmehrheit und lehnte den Besitzstand deutlich ab.

Und dann versuchte die SVP noch, beim Schulpsychologischen Dienst zu kürzen. Was?! Die Schüler:innenzahlen steigen. Die Nachfrage nach psychologischer Unterstützung wächst. Wer beim SPD kürzen will, nimmt weder Kinder, Eltern noch Lehrpersonen ernst. Da konnte selbst der eigene Regierungsrat nicht mehr viel dazu sagen. Die Kürzung hatte zum Glück keine Chance im Grossen Rat.

Zum Glück: der Aargau hat doch kein Pro-Raser:innen-Gesetz!

Heute fand die erste Lesung des Polizeigesetzes statt. Es ging um viel. Die Debatte wurde jedoch vollständig von der Diskussion über die Genehmigung von stationären Geschwindigkeitsanlagen (Blitzer) dominiert. Es gibt Kräfte im Rat, die wollen Rasen legalisieren. Das ist unser Aargau!

Was ist passiert? An der Kreuzung Gstühl in Baden wird gut und gerne mit vielen PS underem Füdli über die Kreuzung gebrettert. Aus diesem Grund hat die Stadtpolizei Baden dort – vor Jahren – einen stationären Blitzer installiert und dadurch ordentlich Einnahmen erzielt und gut Kasse gemacht. Wir sprechen hier von 2,5 Millionen pro Jahr! Das ärgerte die Raser. Irgendwie logo. Deshalb wurde eine Warnhinweistafel aufgestellt: Achtung – nicht rasen – es wird geblitzt. Aber damit nicht genug. Dem Blitzer wurde vorgeworfen, nicht für Sicherheit zu sorgen, sondern nur Geld abzuzocken. Böser Blitzer! Er wurde quasi als Goldesel des Staates bezichtigt, ein Gehülfe des Steuervogts, der die armen, rasenden Raser:innen schröpft. So kam der Verkehrsaktivismus ins Rollen. Wie eine lärmende, quietschende Schlange zogen Anträge und Debatten durch den Aargau. Vorstösse und Anträge torpedieren den Blitzer. Nichts half den Rasenden. Zum Schluss fand sich eine Hintertüre: Der Regierungsrat soll die Blitzer bewilligen. Nicht wie bis dahin die Gemeinden. Erstaunlicherweise hatte für einmal die von Rechtskonservativ immer so heiliggesprochene Gemeindeautonomie keine Bedeutung und wurde zur Makulatur. Also bekam der Regierungsrat vor drei Jahren grossmehrheitlich im Rahmen der Polizeigesetzrevision den Auftrag, seine Blitzer-Macht auszubauen. Nur ein linkes Hüfeli stimmte damals dagegen.  Wir waren drauf und dran, eine legalistische Lächerlichkeit für Raser:innen zu schaffen. Und dann? Oh Wunder? Wie Phönix aus der Asche wendete sich das Blatt. Die Mitteparteien widersetzen sich heute. Der Raser:innen-Artikel wurde aus dem Gesetz gestrichen. Für einmal nahm der Rat seine Verantwortung wahr und verhinderte das Raser:innengesetz. Auch wenn wir alle manchmal gerne Pippi Langstrumpf wären. Nein: Kein Widdewiddewitt – wir machen uns die Welt, wie sie uns gefällt. Wir entscheiden für alle, für Sicherheit, für Nachhaltigkeit. Und: wer zu schnell fährt, wird geblitzt und bezahlt. Dazu wird nun wahrlich niemand gezwungen.

Für einmal kein Einwohner*innenrat – sonder eine Gemeindeversammlung: 

Rotes aus den Gemeinden: Neuer Kindsgi für Schneisigen

In Schneisigen hat die Gemeindeversammlung letzte Woche einem neuen Kindergarten zugestimmt. Das sollte doch eigentlich das Normalste auf der Welt sein, oder? Aber nein! Steuermuffel:innen waren dagegen, weil es eine Steuererhöhung von 3% bedeuten würde. Aber was bekommt Schneisigen dafür? Das Gemeindehaus kann saniert werden und es wird ein Vereinsraum eingerichtet. Und vor allem werden die Kinder einen modernen und ausreichend grossen Kindergarten haben. Unsere Genoss:innen haben sich aktiv  für den Kindergarten eingesetzt. Grossartig!

Wir waren fleissig

  • 13. Juni 2023 betreffend Integration von gehörlosen Menschen im Kanton Aargau fördern
  • Interpellation Lelia Hunziker, SP, Aarau (Sprecherin), Luzia Capanni, SP, Windisch, Baden, Lea Schmidmeister, SP, Wettingen, Silvia Dell’Aquila, SP, Aarau, 13. Juni 2023 betreffend aktuelle feministische Handlungsschwerpunkte im Kanton Aargau

Morgen 14.6.2023:
Heraus zum feministischen Streik


Morgen findet der grosse Streiktag im Aargau statt. 

In Rheinfelden: Ab 11 Uhr PicNic bis 19:30 Uhr Gemeinsam an die Gemeindeversammlung
In Wittnau: 12 bis 14 Uhr Vegetarische Teilete, Streikzmittag

In Baden: Ab 11:30- 14:00 Uhr, Schlossbergplatz mit diversen Reden, Übergabe der Forderungen an den Stadtpräsidenten und Livemusik
In Brugg: Ab 14:30 Streikkaffee von FemmesSapiens im ODEON Brugg und nach der Demo in Aarau, feministische Lesung von Deborah Lara Schaefer im ODEON um 20 Uhr
In Lenzburg: Demostration und Rede ab 12 Uhr 
In Zofingen: Frauen*feuer mit Austausch und Tanz im OXIL ab 17 Uhr

In Aarau: 
Feministische Kinderbuchlesung ab 14 Uhr bis 15 Uhr im Kaufhaus zum Glück

UND DANN UM 17:00 UHR: Grosse Demonstration durch die Altstadt mit Musik, Parolen, Tanz und viel feministischer Power. Reden von Arbeiterinnen, Sinem Gökçen und Lelia Hunziker, Mechthild Mus und Kristina Schärer (Klimastreik) und Alessandra Widmer (Geschäftsführerin Lesbenorganisation Schweiz). Musik von DJ Chihuahua Mami und Claudia Masika (Afro Fusion).

Kommt zahlreich! ?Bringt Wecker mit, tragt violett und packt genügend Sonnenschutz, Wasser und Plakate ein.? Malen wir den Aargau violett! Weitere Infos: https://feministischerstreikaargau.ch

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