Liebe Genoss:innen
Die heutige Sitzung war schon fast epochal: Viele Abstimmungen resultierten im Sinne einer sozialdemokratischen Haltung. Es war ein richtig roter Tag. So sausen wir politisch glücklich und fidel in die Sportferienpause bis im März.
In eigener Sache: Das Rote Protokoll ist etwas müde. Ja, wir haben eine Motiviationskrise. Es finden Gespräche statt, wer das Rote Protokoll übernimmt, oder wie wir die Arbeit etwas aufteilen können. Bis auf weiteres bedienen wir Euch weiter mit spitzer Feder, roten Gedanken und sozialdemokratischem Tratsch und Klatsch aus dem Grossen Rat. Aber es bahnt sich eine Veränderung an, wir suchen nach Lösungen. Wir halten Euch auf dem Laufenden.
Solidarisch
Lelia Hunziker und Alain Burger
Sisslerfeld: Ein Drama in mehreren Akten
Mit der Abstimmung zum Nutzungsplan über die Erschliessung des Entwicklungsgebietes Sisslerfelds stand einmal mehr ein regionales Verkehrsprojekt im Zentrum. Der Besprechung im Rat ging eine lange Diskussion im Fricktal, vor allem der Standortgemeinde Eiken, voraus. Der Gemeinderat befürwortete den kantonalen Vorschlag, in der Gemeinde formierte sich aber ein 500-Personen starkes Gegner:innen-Komitee. Der Knatsch war perfekt!
Wir finden auch, dass bei der Planung und Kommunikation vieles schief ging, aber das Projekt heute zurückzuweisen oder abzulehnen, ist sinnlos. Die erste Firmenansiedlung steckt bereits in den Startlöchern. Und wie immer nach der Logik: die Profite für die Wirtschaft und die Kosten für den Staat müssen der Kanton und das Fricktal nun massiv in den öffentlichen Verkehr und die Velowege investieren. Wir wollen, dass Menschen im Sisslerfeld arbeiten, wir wollen aber auch, dass sie ohne Privatwagen anreisen. Denn wir sind überzeugt: der MIV (Motorisierte Individualverkehr) gehört in die Mottenkiste der Verkehrsplanung.
Natürlich lässt sich auch über Sinn und Unsinn des ganzen Projektes diskutieren und hier sind und bleiben wir kritisch. Das ganze Sisslerfeld könnte aus Wachstumskritik abgelehnt werden, doch dieser Entscheid ist längst gefallen. Mit der Ansiedlung von Pharmaindustrien, die wie die Bachem AG etwa Diabetesmedikamente herstellen, betreiben wir Industriepolitik und wirken dem aktuellen Mangel an lebensnotwendigen Medikamenten entgegen. Darum haben wir, zusammen mit der Ratsmehrheit, dem kantonalen Nutzungsplan heute zugestimmt, bleiben aber wachsam, was die Verkehrsstrategie und die Umweltverträglichkeit des Sisslerfelds anbelangt.
Mehr Schulraum für FABE und FAGE
Die Berufsfachschule Gesundheit und Soziales (BFGS) platzt aus allen Nähten. Das ist gut, weil wir diese Fachkräfte dringend brauchen. Die Bevölkerung wächst. Menschen werden älter. Gesundheit und Pflege werden immer wichtiger. Die Pflegeinitiative muss umgesetzt werden. Schlecht ist, dass die BFGS in Brugg schon längst zu klein ist. Mit einem Aussenstandort in Rheinfelden und zusätzlichen Anmietungen konnte das Wachstum der letzten Jahre etwas aufgefangen werden. Doch für die nächsten Jahre reicht das nicht. Darum diskutierten wir heute im Grossen Rat den Planungsbericht für die langfristige Entwicklung der kantonalen Gesundheits- und Sozialschulen. Und ja, auch in diesem Bereich sind wir zu spät dran. Viel zu spät! Verkleidet als ignorante Faultiere kommen wir wie die alte Fasnacht daher. Denn die neuen Schulhäuser werden frühestens 2035 bereitstehen. Bis dahin braucht es teure Zwischenlösungen. Wir erinnerten die Mehrheit im Rat darum einmal mehr an die Sparpakete der 10er-Jahre, als dringende Investitionen von der rechtskonservativen Mehrheit kurzerhand auf morgen verschoben wurden.
Jetzt ist morgen und wir müssen nicht nur neue Kantons- und Berufsfachschulen bauen, sondern an fast allen Standorten – und es sind mittlerweile einige – teure Übergangslösungen finanzieren. So geht Sparen à la Rechtskonservativ. Geiz ist geil. Die “morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle faulen Leute – Mentalität” kommt uns teuer zu stehen. De Fakto doppelt zu teuer. Merci für nichts! Bauen wir doppelgemoppelt. Wir mutmassen geradezu, dass findige Neoliberal schon ganze Aktienpakete von Container-Firmen erworben haben. Aber ja: ein Schelm der Böses denkt.
Immerhin waren sich alle im Grossen Rat einig: Es muss endlich vorwärts gehen. Der Planungsbericht wurde einstimmig angenommen. Die Berufsbildung im Bereich Gesundheit und Soziales soll attraktiv bleiben. Es braucht Investitionen. Nicht erst 2035. Nicht morgen. Heute!
Liberallalla im Bildungsbereich
Die FDP reichte im Sommer ein liberaler Strauss lustiger Bildungsvorstösse ein. Zwei gaben heute etwas mehr zu reden im Grossen Rat:
Erstens soll die Abschlussprüfung wieder eingeführt werden, nicht nur an der Bezirksschule, sondern neu auch für Sekundar- und Realschüler:innen. Denn an Abschlussprüfungen können junge Menschen wachsen. Wir lehnten ab, denn Abschlussprüfungen auf der Oberstufe sind aus der Zeit gefallen. Solche Prüfungen widersprechen der Chancengerechtigkeit. Und mit den Checks haben wir bereits ein Instrument, das verlässliche Resultate zum Leistungsstand der Schüler:innen liefert.
Zweitens soll der Aargau in einem Pilotprojekt die Schulwochen optimieren. Das heisst mehr Schulwochen, weniger Ferien, weniger unterrichtsfreie Zeit, indirekt also mehr Arbeitszeit für Lehrpersonen. Noch mehr? Ja, wenn es nach der FDP geht. Zugegeben. Lehrer:innen haben im Vergleich zu anderen Berufsgruppen mehr Zeitfenster, die sie selbst organisieren und gestalten können. Diese Zeitfenster zu reduzieren, um die Schulwochen um zwei Lektionen – denn mehr wäre nicht drin – zu entlasten, bringen den Lehrpersonen wenig. Wirksame Entlastungen sehen anders aus. Wir fordern mehr Ressourcen, kleinere Klassen und zusätzlich Förderlehrpersonen. Leider gibt es wirksame Entlastungen nicht kostenneutral. Und darum diskutierten wir heute keine Lösungen im Kampf gegen den Fachkräftemangel im Bildungswesen, sondern mussten uns einen Nachmittag lang mit mehr oder weniger lustigem Liberallalla herumschlagen.
Der Grosse Rat lehnte die beiden Vorstösse am Schluss deutlich ab. Da waren wir mit unseren Vorschlägen erfolgreicher: Dank der SP und einer breiten Unterstützung bis in die Mitte werden bald Stellvertretungen an der Volksschule ab dem ersten Tag entlohnt. Das ist eine wirksame Entlastung für Lehrpersonen. Geht doch. Ausserdem sagte der Grosse Rat auch dank unserer Unterstützung Ja zum zweisprachigen Unterricht an Aargauer Schulen.
Nein zur rassistischen Statistik
Rechtskonservativ will eine superdetaillierte Aufschlüsselung verschiedenster Straftaten nach Nationalitäten und Aufenthaltstiteln. Vordergründig geht es darum, Grundlagen für Integrationsmassnahmen und Wegweisungspraxis zu entwickeln, aber eigentlich geht es um rechte, rassistische Hetze. Es geht darum, Menschen an den Pranger zu stellen mit dem Schild einer Nation um den Hals. Liebe FDP: eine effiziente, schlanke Verwaltung geht anders. Aber sobald es um die geliebte Sündenbockpolitik gegen Ausländer:innen geht, ist sparsame Effizienz kein liberales Mantra mehr. Ausser es handelt sich um reiche Expats. Oder wohlhabende Wahlschweizer:innen. Oder vielleicht Pauschalbesteuerte. Was für eine opportunistische Klientel-Bewirtschaftung.
So kontern wir mit unserem Mantra: Sozioökonomische Faktoren haben einen Einfluss auf die Kriminalität. Nicht die Herkunft, Nationalität oder gar die Religion sind relevante Faktoren, ob jemand kriminell wird. Risikofaktoren sind Armut, frühe Gewalt- und Missbrauchserfahrung, geringe Intelligenz, niedrige Schulbildung, mangelnde Impulskontrolle, Perspektivenlosigkeit, unsichere Aufenthaltstitel, enge Wohnverhältnisse, Suchterkrankungen, Familienkonflikte, Ausgrenzung, Traumaerfahrungen, Alter und Geschlecht.
Wenn man Kriminalität bekämpfen will, dann muss in Integration, Bildung, Sozialwesen und Wohnungen investiert werden. Es braucht Prävention. Es braucht Geld für Suchtberatung, es braucht Geld für Deutschkurse, es braucht Geld für KiTas, es braucht Geld für attraktive öffentliche Räume, es braucht Perspektiven bei Aufenthaltstiteln z.B. in Form von erleichterter Einbürgerung. Das sind (unsere) Lösungen. Und für diese Lösungen fehlen uns regelmässig die Stimmen der Ratsrechten. Wir ekeln uns geradezu ob der rechtskonservativen Effekthascherei, die stigmatisiert, bewirtschaftet aber bei Lösungen nein sagt.
Der Vorstoss wurde – zum Glück – hochkant abgewiesen. Merci Mitte – geht doch!
Wir waren fleissig
- Interpellation Alain Burger (Sprecher) Carole Binder-Meury, vom 16. Januar 2024, betreffend Zugang zur Pädagogischen Hochschule
- Postulat Alain Burger, SP, Wettingen (Sprecher), Colette Basler, Carole Binder-Meury, vom 16. Januar 2024, betreffend Stärkung des Fachs “Berufliche Orientierung” in der Ausbildung von zukünftigen Lehrpersonen
- Interpellation Rolf Schmid (Sprecher), Lelia Hunziker, Hanspeter Hubmann, Mia Jenni, Selena Rhinisperger, vom 16. Januar 2024, betreffend Massnahmen zur Stärkung und Verbreiterung des Arbeitskräfteangebots beziehungsweise der Arbeitskräftenachfrage
- Interpellation Martin Brügger (Sprecher), vom 16. Januar 2024, betreffend Auswirkung von Strassensalz auf die Umwelt und die Biologie von Gewässern im Kanton Aargau