Wir erinnern uns: Im Abstimmungskampf zur AHV-Reform im September 2022 haben Gewerkschaften und linke Parteien davor gewarnt, dass alle bald bis 67 arbeiten müssen. Die rechten Parteien und die Wirtschaftsverbände übten scharfe Kritik an unserer Kampagne und warfen uns Lügen vor. Dabei war schon damals klar, welche Angriffe die Bürgerlichen auf das Rentensystem geplant hatten.
Mit der «Renteninitiative» der Jungfreisinnigen stimmen wir am 3. März nun über einen dieser Angriffsversuche ab. Das Vorhaben fordert zunächst eine generelle Erhöhung des Rentenalters auf 66 bis ins Jahr 2032 und gleichzeitig dessen Koppelung an die Lebenserwartung. Nach den Prognosen der Initiant:innen stiege das Rentenalter danach um jährlich rund einen Monat an und betrüge im Jahr 2050 letztlich 67 Jahre und 7 Monate. Aus Sicht der Jungfreisinnigen entspricht dieser Mechanismus einer «Entpolitisierung der Altersvorsorge». Die Politik soll fortan nicht mehr über das Rentensystem diskutieren, sondern dieses den «natürlichen Faktoren» überlassen. Mit dieser pseudosympathischen Bezeichnung entlarven die Initiant:innen ihre Ideologie. Sie sehen das Rentensystem als Vermengung aus wirtschaftlicher Leistung und Demografie. Dabei lehnen sie es ab, dass der Staat mit umverteilenden Mechanismen wie etwa bei der AHV einen sozialen Ausgleich schafft. Anders lässt es sich nicht erklären, dass sie mit ihrer Idee ignorieren, dass heute bereits 40 Prozent der Erwerbstätigen frühzeitig in Pension gehen. Natürlich sind dies vor allem Rentner:innen mit hohen Einkommen und Vermögen. Nach der Logik der Initiant:innen können alle Menschen automatisch länger arbeiten, bloss weil die all gemeine Lebenserwartung steigt. Offenbar ist es egal, welche Arbeit sie während ihres Erwerbslebens verrichtet haben. Mit der Annahme drohen hier in Zukunft noch grössere Ungleichheiten.
Abstimmungskampf zur AHV-Reform im September 2022.
Darum machen wir uns für eine Ablehnung stark. Gerade weil die Prognosen vor aussagen, dass eine überwältigende Mehrheit der Stimmberechtigten auf unserer Seite steht, müssen wir die Gunst der Stunde nutzen. Wir müssen aufzeigen, dass die Altersvorsorge zu Recht eine zentrale Staatsaufgabe bleibt, denn ein «entpolitisiertes» Rentensystem, wie es sich die Marktgläubigen erträumen, wird es nicht schaffen, allen Menschen im Alter ein würdiges Leben zu ermöglichen. Leider sind Ergänzungsleistungen weiterhin notwendig, gerade von den Bürgerlichen werden sie regelmässig zu Almosen umgedeutet. Gute Renten sind kein Luxus, sondern ein Grundrecht! An dieser Stelle erlaube ich mir als linker (fast noch) Jungpolitiker auch einen Kommentar an die Adresse der Jungfreisinnigen: Euer Diskurs zum Rentensystem ist ein Frontalangriff auf die Solidarität zwischen den Generationen, aber auch zwischen Menschen mit hohen und niedrigen Einkommen. Gerade die AHV schafft einen Ausgleich und ermöglicht jungen Menschen, sich nicht mehr direkt finanziell um ältere Verwandte kümmern zu müssen. Die 1. Säule ist effektiv und hocheffizient und wurde schon so oft totgeredet. Dennoch funktioniert sie immer noch bestens. Dieses System muss es uns deshalb wert sein, seine zwischenzeitlichen Finanzierungslücken mit höheren Beiträgen zu schliessen.