Rotes Protokoll vom 10. September 2024

Liebe Genoss:innen

Draussen ist es kühler geworden, im Grossen Rat teilweise gar frostig. Drinnen laufen die Politikmühlen heiss. Und die durch den Wahlkampf verschärfte Polemik sowieso. So wollte doch die FDP die Sonntagsverkäufe komplett liberalisieren und Feiertage ebenfalls aufweichen. Oder die SVP, die die gendergerechte Sprache der FHNW bemängelt und sich gleich auch noch als Experten (sic!) anbieten. Aber von vorne!

Zu den Traktanden: Einigermassen kurz beim ansehen, stellte sich schnell heraus, diese Sitzung hatte es in sich. Mehrere Gesetzesänderungen und weitreichende Beschlüsse wurden heute beraten. Allen voran die Erweiterung des Ladenöffnungszeiten um einen dritten offenen Sonntag, aber auch Bodenpreise bei Enteignungen, Gewässerschutz, Mittelschulstandorte, neue Hochschule und und und…aber lest selbst.

Mit einer Fraktionserklärung ergriffen wir als SP-Fraktion das Wort, da die SVP dem Vorpreschen ihres Bundesrats Rösti nur zu gerne folgt und heute eine Motion für die Prüfung eines AKW-Neubaus eingereicht hat. Ökonomisch wie ökologisch unsinnig, pure Ideologie. Atomkraft, nein danke. Das galt bereits 1972, 1973, 2011, 2016 und gilt auch 2024.

👉🏼 Über Atomkraft wird übrigens diesen Donnerstag um 19 Uhr im Stadtmuseum Aarau diskutiert. Mit Roger Nordmann, Thierry Burkhart,  Jeanine Glarner (FDP-Grossrätin) und Lelia Hunziker. Mehr Infos gibt es hier.

👉🏼 Über die BVG-Reform wird nächste Woche am 17. September noch ein letztes Mal in Baden diskutiert. Um 20 Uhr in der Schule Burghalde mit Cédric Wermuth, Andreas Glarner, Sabine Sutter-Suter (Grossrätin Mitte Aargau) und Mia Jenni. Den Flyer dazu gibt es hier.

Schaut vorbei! Stellt Fragen. Und vor allem vergesst nicht am 22. September NEIN zu stimmen zur BVG-Reform und JA zur Biodiversitätsinitiative. 

Aber jetzt zurück zum Rat!


Solidarisch
Mia, Lelia, Rolf und Alain

Mehr Sonntagsverkäufe
Im Aargau gibt es nichts, was es nicht gibt. Sogar eine Augensegnung haben wir. Einmal pro Jahr an einem Sonntag. Was wäre das schön, könnten die frisch gesegneten Augen auf dem Nachhauseweg noch etwas dem Konsum frönen. Doch weil diese Feierlichkeit dummerweise nicht auf einen verkaufsoffenen Adventssonntag fällt, drücken wir unsere Nasen vergeblich an den Schaufenstern platt. Für den Grossen Rat ist das Grund genug, um das Arbeitsrecht weiter auszuhöhlen. Schon vor einiger Zeit wurde darum eine Motion zur Einführung eines dritten, verkaufsoffenen Sonntags eingereicht und auch mit einigen Stimmen aus unserer Fraktion überwiesen. Heute nun diskutierten wir über die Umsetzung. Die Regierung schlägt vor, auch weiterhin zwei Sonntagsverkäufe pro Jahr zu definieren. Die Gemeinden und Städte sollen einen dritten Sonntag nach ihren Bedürfnissen festlegen dürfen. Na klar, gönnen wir den Gemeinden ihre Chilbi, ihren Märt oder eben die Augensegnung, doch braucht es dafür keine offenen Läden. Vom Sonntagsverkauf profitieren ohnehin die grossen Geschäfte. Personal an einem Sonntag zu bezahlen ist aus guten Gründen teuer und das kann sich das Kleingewerbe kaum leisten. Darum haben wir versucht, den Bürgerlichen schöne Augen zu machen und mit einem Kompromiss den zusätzlichen Sonntag zu verhindern. Unsere Idee war simpel: Neu definiert der Kanton nur noch einen Sonntag und einer steht den Gemeinden und Städten zur Verfügung. Doch die Bürgerlichen vermochten unserer Charmeoffensive zu widerstehen. Anstatt mit einem blauen Auge davonzukommen, mussten wir machtlos zusehen, wie ein dritter Sonntag genehmigt wird. Heilig ist der Sonntag nur noch den wenigsten Bürgerlichen. Wir hingegen hüten die Arbeitnehmer*innen auch weiterhin wie unseren eigenen Augapfel und wehren uns kämpferisch gegen solche Angriffe.

Juhee! Die Gewässerschutz-Initiative wird zurückgezogen! Mit gutem Grund!
Heute wurde Historisches beschlossen im Grossen Rat und zwar einstimmig. Der Kanton Aargau hat mit der Annahme des Gegenvorschlags der “Gewässer-Initiative Kanton Aargau – Mehr lebendige Feuchtgebiete für den Kanton Aargau” eine Grundlage für mehr Biodiversität und nachhaltige Wiedervernässung von Wald, Landwirtschaft und Siedlung geschaffen.
Was heisst das: Die Artenvielfalt im Aargau nimmt bei Arten, die auf Feuchtgebiete angewiesen sind, stetig ab. Um dies zu stoppen und die Artenvielfalt zu fördern, braucht es auch weitere, neue Lebensräume. Die Gewässer-Initiative forderte die Umsetzung dieser Lebenssicherung innerhalb der nächsten 20 Jahre. Diese Frist streckt der Gegenvorschlag nun bis zum Jahr 2060. Das ist natürlich eine Verwässerung…
Die vorgeschlagenen Massnahmen sind hingegen vielfältig und die Realisierung sollen nun dank Monitoring und regelmässiger Berichterstattung an den Grossen Rat kontrolliert werden können.  Es sollen mittels Freiwilligenprogramm bis 2040 750 ha und bis 2060 1000 ha Feuchtgebiete realisiert werden. Also für den Aargau ein grosser Schritt. Die Initiative wird deshalb nun auch von den Initiant*innen zurückgezogen. Das Bestmögliche wurde überparteilich herausgeholt. Dies ist beispielhaft – wäre die Diskussion über die Biodiversitätsinitiative doch auch so konstruktiv gewesen.

Zwei neue Kantonsschulen im Mittelland
Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät? Ja, es ist wieder einmal sehr spät, wenn es um den Schulraum an den Mittelschulen im Aargau geht. Die bestehenden Kantis platzen aus allen Nähten. Höchste Zeit also, zwei neue Mittelschulen im Mittelland zu bauen. Eine soll in Lenzburg, die andere in Windisch realisiert werden. Soweit waren wir uns einig. Weniger einig waren wir uns bei den Kosten dieser Infrastrukturprojekte. Die FDP findet, das Totalunternehmer-Modell wäre günstiger und auf einen Architekturwettbewerb soll verzichtet werden. Im Wahlkampf heisst es “Bildung ist einer der wichtigsten Rohstoffe”, doch sobald es im Grossen Rat um Investitionen geht, ist der wichtigste Rohstoff das Kapital und nicht die Menschen. Und während die kantonale Ausgleichsreserve fast so voll ist, wie unsere Kantonsschulen, versuchten FDP mit Unterstützung der SVP mittels Teilrückweisung den Bau der beiden neuen Mittelschulen zu verzögern. Sparen bei der Bildung, einmal mehr. Wir erinnerten im Rat nochmals alle daran, warum der Schulraum heute fehlt. Weil in den 2010er-Abbau-Jahren die bürgerliche Mehrheit dringende Investitionen auf heute verschoben hat. Die Ausgleichsreserve platzt aus allen Nähten. Die Schüler:innen werden in Provisorien gezwängt. Der Grosse Rat und die Regierung machen sich gegenseitig Vorwürfe. Die Sparanträge von Rechtskonservativ werden schlussendlich abgelehnt. Der Grosse Rat sagt Ja zur Kanti Lenzburg und Ja zur Kanti Windisch. Ja zu zwei neuen Kantonsschulen, die unserem Bildungskanton gerecht werden!

Eine neue Hochschule für Informatiker:innen
Die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) wird vom Aargau und unseren Nachbarkantonen Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Solothurn getragen. Alle vier Jahre entscheiden diese vier Kantone über den Leistungsauftrag der vierkantonalen Hochschule für die nächsten vier Jahre. Heute war es wieder mal soweit. Neu soll es eine Hochschule für Informatik im Campus Brugg-Windisch geben und die Hochschule für Technik wird um den Bereich Umwelt erweitert. Das finden wir sehr gut. Nicht so gut finden wir, dass der Finanzbedarf der FHNW von den Trägerkantonen zwar anerkannt, aber nicht vollständig finanziert wird.  Die Geiz ist geil-Politik schreckt auch vor der FHNW nicht zurück. Statt 1 Milliarde und 22 Millionen gibt es “nur” 995 Millionen Franken für die nächsten vier Jahre. Der Rest soll irgendwie eingespart werden. Wie bleibt unklar. Reserven hat die Schule am Ende der Leistungsperiode wohl keine mehr. Nachtragskredite drohen. Während wir befürchten, dass dadurch die Qualität der Lehre und der Forschung leidet, fürchtet sich Rechtskonservativ vor dem Gendersternchen. Denn ja, auch die FHNW nutzt eine gendergerechte Sprache und setzt Massnahmen im Bereich Diversity um. Gut so, finden wir. Dem neuen Leistungsauftrag stimmten alle Grossrät:innen zu.

  • Postulat der Fraktionen SP  (Sprecherin Carol Demarmels), EVP, FDP, GLP, Grüne, die Mitte, SVP betreffend Gleichstellung der steuerlichen Behandlung von Ehepaaren und unverheirateten Paaren im Kanton Aargau

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