Rotes Protokoll vom 5. November 2024

Liebe Genoss:innen

Heute wurde uns das Evangelium gepredigt. Das Evangelium der Freiheit. Das Evangelium der Eigenverantwortung. Das Evangelium der Evangelischen. Wir debattierten über Steuern und Schule. 

Schlimmes konnten wir in dieser ersten Lesung des Schulgesetzes teilweise verhindern. Aber: Nach der ersten Lesung ist vor der zweiten Lesung – und die zweite Lesung werden wir in neuer Zusammensetzung beraten. Mit einer neuen Bildungsdirektorin – der kaum was heilig ist, was Kinder brauchen. 

Wir sind besorgt. So kam heute zum Beispiel ein Prüfauftrag für die gesetzliche Verankerung von Weihnachtsfeiern und Weihnachtsliedern durch. Wie war das nochmals mit der Trennung von Kirche und Staat? Die liberalen Geister singen leider heute feierlich Halleluja!

Wir sind besorgt. So hat das SRF einen Film zu exzessiver Fleischproduktion vom Schulportal genommen, weil die Aargau EDU irritiert, aufgelöst und echauffiert war. Wie war das nochmals mit dieser Cancel Culture? Der Service Public singt leider heute nicht mehr wes Brot ich ess! Oder doch?

Rechtskonservativ zuckt, zickt und schnaubt und schon wird über das Stöckchen gesprungen. In vorauseilendem Gehorsam. Aus Angst vor Kürzungen. Weil’s ungemütlich werden könnte. Das gibt uns einen kleinen Vorgeschmack auf die kommenden 4 Jahre. Es wird herausfordernd. Es wird wohl zuweilen frustrierend. Wir müssen hie und da die Motivation am Galgenhumor heranziehen. 

Aber: Wir bleiben drauf und dran. Wir sind überzeugt, dass sich jeder einzelne Kampf für Menschlichkeit, für Nachhaltigkeit, für Solidarität, für Rechtsstaatlichkeit  und für Innovation lohnt, damit wir bereit für morgen sind und vor allem: wir ergreifen Partei für uns, für euch, für alle Menschen im Aargau. Sei dabei – hilft mit. In Deiner Sektion, im Bezirk, mit Deiner Stimme. Denn unsere Stärke liegt im Kollektiv. 


Solidarisch
Mia, Lelia, Rolf und Alain

Steuern zurück – anstatt notwendiges anzupacken

Heute ist Wahltag! Wir schielen immer mit einem Auge über den grossen Teich und warten gespannt darauf, was passiert. Es wird wohl dauern, bis das Endresultat da ist.  Geduld sind wir uns gewöhnt. Wenn es um Steuern und deren Senkung geht, überbieten sich der Grosse Rat und die Regierung in ihrem Tempo und sind bisweilen selbst davon überfordert. Das Finanzdepartement macht sich z.B. an die Umsetzung von Vorstössen, bevor wir diese überhaupt behandelt haben. Doch schön der Reihe nach.

Einen Blick über den Atlantik hat auch Avenir Suisse gewagt und den Bürgerlichen wieder mal eine schöne Vorlage für neoliberale Politik gegeben. Heute auf der Tageskarte: Steuerrückvergütungen. Geld zurück für die Menschen, wenn es dem Kanton (zu) gut geht. Verführerisch, doch wir haben davor gewarnt. Solange wichtige Investitionen nicht erledigt sind und der Leistungsabbau nicht vollständig rückgängig gemacht ist, sehen wir keinen Grund das Geld zurück zu verteilen, zumal es sowieso vorwiegend zu denen fliesst, die es nicht (mehr) brauchen. Darum haben wir die Regierung gebeten zu prüfen, ob sich daraus keine sozialpolitische Innovation machen liesse. Menschen mit kleinem Einkommen sollen mehr Geld erhalten als Reiche. Umverteilung, wie es Steuern eigentlich wollen. Gut, so innovativ ist das nicht, zeigt auch unser Blick in die USA. Da gibt es Bundesstaaten, die durchaus tragbare Umsetzungslösungen für die Rückverteilung von Steuern gefunden haben.

Leider blieb unser Widerstandssturm nur ein linksgrünes Lüftchen. Der Neoliberalismus geniesst im Aargau starken Rückenwind.

Schulgesetz: Weihnachtslieder singen im Gesetz und weitere düstere Aussichten

Wir erinnern uns, vor zwei Wochen diskutierten wir stundenlang über die Totalrevision des Schulgesetzes, welches neu in das Volksschulgesetz und in das Mittelschulgesetz aufgeteilt wurde. Heute widmeten wir uns dem zweiten Teil der Besprechung und ja, es hat gräblet.

Die SVP, die FDP und auch die Mitte haben sich nochmals ganz tatkräftig ins Zeug gelegt und versucht die Gesetze zu verschlimmbessern. Das begann damit, dass die SVP den nahen Auslandsaufenthalt für angehende Sprachlehrer*innen streichen wollte, weil sie nicht wollten, dass sie ins böse Ausland gehen. (Dass die Romandie nicht über genügend Angebot verfügt, war offenbar sekundär). Der Antrag wurde dann auch abgelehnt. Dafür können Jugendverbände wie Jubla, Pfadi und Cevi künftig Fördermittel für Projekte der ausserschulischen Jugendarbeit beantragen. Der wohl wichtigste Antrag, dass Statistiken, die zum Qualitätsmonitoring für Schulen erhoben werden, nicht auf Gemeinden, Abteilungen und Lehrpersonen zurückgeführt werden, wurde angenommen. Damit kann es weiterhin zu keinem öffentlichen Ranking kommen, was ein ungesundes Aufwiegeln der Gemeinden gegeneinander verhindert. Leider gingen bei weitem nicht alle Abstimmungen derart glimpflich aus und gegen Ende der Besprechung kam es zu einem regelrechten Wildwuchs der Anträge.  Den Vogel abgeschossen hat heute aber definitiv die Mitte. Ein Fricktaler Grossrat hat einen Antrag platziert, dass geprüft werden sollte, ob die Durchführung von schulischen Weihnachtsfeiern und Singen von Weihnachtsliedern (ja, richtig gelesen) und andere Gepflogenheiten Der Regierungsrat wird beauftragt, im Hinblick auf die zweite Lesung der Schulgesetzrevision zu prüfen, ob eine explizite gesetzliche Bestimmung erforderlich ist, um die Durchführung von schulischen Weihnachtsfeiern oder bspw. Singen von Weihnachtsliedern und anderen der Schweizer Kultur und Traditionen entsprechende Gepflogenheiten zu ermöglichen. Dies weil man Angst hat, dass Schulen die abendländische Kultur nicht mehr zulassen (…was natürlich völliger Quatsch ist.) Weihnachtsliedersingen wurde vom Grossen Rat dann auch im Schulgesetz verankert!

Gleich postwendend lehnte der gleiche Rat, die gleiche bürgerliche Mehrheit, die Ermöglichung von kostengünstigem Essen für alle Kantischüler*innen ab und fühlte sich gut dabei. Ist das jetzt diese abendländische christliche Nächstenliebe?
Die heutige Diskussion der Erstberatung der beiden Gesetze lässt nichts Gutes für die zweite Beratung im nächsten Jahr mit den neuen Mehrheiten von FDP und SVP vermuten. Wir bleiben gespannt und wissen zum Glück, dass manchmal auch das Volk das letzte Wort haben kann.

Zurück zu Förderklassen

Die integrative Schule ist noch nicht dort, wo wir sie haben wollen. Ja, es gibt Probleme, die wir lösen müssen und ja, es gibt Lehrkräfte, die am Anschlag sind. Gescheitert ist die Integrative Schule aber nicht, sondern nach wie vor im Aufbau begriffen, mit bereits vielen wirksamen Folgen. Diese sieht die FDP-Spitze nicht. Sie forderten mittels Motion, dass der heilpädagogische Unterricht und andere Unterstützungsmassnahmen nicht mehr in der Regelklasse, sondern ausschliesslich in Förderklassen stattfinden. Separation statt Integration. Obwohl zahlreiche Studien bestätigen, dass die Lernleistungen von Kindern mit Lernschwierigkeiten bei integrativer Schulung grösser sind und die anderen Kindern nachweislich keine Nachteile haben. Und im Aargau darf sowieso jede Gemeinde selbst entscheiden, ob sie ein integratives Schulmodell will oder ihre Ressourcen für Einführungs-, Klein- oder aber eben auch Förderklassen einsetzt. Viele Schulen haben Strukturen aufgebaut, die genau auf die Bedürfnisse ihrer Schüler:innen abgestimmt sind. Und die Lehrer:innen haben sich entsprechend weitergebildet.  Die FDP zog Studien in Zweifel, sprach gegen die Gemeindeautonomie und behauptete, dass sie sich für einen starken Staat einsetzen. Die Steuern-Rückverteilung vom Vormittag, die den Service public im Kanton nachhaltig schwächen wird, war nachmittags um vier bereits vergessen! Ja, Rechtskonservativ hat Geld für Separierung, aber nicht für kleinere Klassen!

Der Grosse Rat sprach sich kurz vor Sitzungsende mit 73:53 gegen die Abschaffung der integrativen Schule aus. Knapp. Und vorbei ist die Geschichte noch lange nicht. Die FDP hat angekündigt, es im neuen Jahr nochmals einzureichen, mit neuen Mehrheiten, aber wohl genau so gehässig wie heute. Wir bleiben dran. Für eine starke Bildung für alle statt für wenige!

Antrag auf Direktbeschluss der Fraktion der SP (Sprecherin Mia Jenni, Obersiggenthal) vom 5. November 2024 betreffend Standesinitiative für eine nationale Industriepolitik, die eine sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft ermöglicht, namentlich im Bereich der produzierenden Industrie (Sektor 2), um den Werkplatz Schweiz langfristig zu erhalten.

Beitrag teilen:

Facebook
Twitter
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed