Rotes Protokoll vom 3. Juni 2025

Mehr Atom, weniger 1. Mai – Aargau, wo gehst du hin?

Liebe Genoss:innen
Manchmal fragt man sich, ob das Ziel des Grossratstages wirklich politischer Fortschritt oder doch eher die Disziplinierung der Geduld ist. Heute war so ein Tag – ein bunter Strauss an Vorstössen, bei denen man sich ernsthaft fragt: Quo vadis? Wohin will sich unser Kanton bewegen? Nach vorne oder zurück?

Statt dringend nötiger Reformen oder greifbarer Verbesserungen für die Menschen im Kanton erlebten wir Debatten über Atomkraftwerke und die integrative Schule, die von Symbolpolitik geprägt sind. Die Volksabstimmung von 2017 zum Verbot neuer Atomkraftwerke (Energiestrategie 2050) wurde heute gar als „Zwängerei“ abgetan.

Und als wäre das nicht schon genug, stehen die nächsten reaktionären Ideen bereits in den Startlöchern: Ein frischer Vorstoss fordert die Abschaffung des 1. Mai als freien Nachmittag für Lehrpersonen und Schulen. Aber wir wären nicht die SP, wenn wir nicht trotzdem mit klarem Kompass und viel Ausdauer gegen diesen politischen Nebel anschwimmen würden. Lest selbst, was der „Tag der unnützen Vorstösse“ alles mit sich brachte.

Solidarisch

Eures Rote Protokoll

Grenzkontrolle: Wirtschaftsfeindlichkeit im Deckmantel von Asylpolitik
Eine Standesinitiative von FDP und SVP fordert die Wiedereinführung temporärer Grenzkontrollen an der Schweizer Grenze, insbesondere zur Bekämpfung illegaler Migration und grenzüberschreitender Kriminalität. Diese Standesinitiative ist reine Symbolpolitik – ein populistischer Reflex, der Sicherheit vorgaukelt, aber reale Probleme schafft. Anstatt die Herausforderungen der Migration solidarisch, nachhaltig und strukturell anzugehen, will man sie an der Grenze abladen – zulasten des Pendler*innenverkehrs, der Wirtschaft, der Standortvorteile und des Alltags zehntausender Menschen im Aargau. Diese Initiative ist nicht nur populistisch, sie ist vor allem heuchlerisch: Die gleichen Kräfte, welche nun mehr Grenzkontrolle fordern, haben auf nationaler Ebene 600 Stellen gestrichen – auch bei der Grenzwache. Also: mehr Kontrollen mit weniger Personal? Das ist grotesk. Was wir brauchen, ist Kooperation mit unseren Nachbarn, nicht Kleinstaaterei mit Schlagbäumen. Und um den Herausforderungen der Migration gerecht zu werden braucht es Geld und Ressourcen für Integrationsmassnahmen, Entwicklungshilfe, Betreuung im Asylwesen. Aber all das wird von den rechtskonservativen Kreise abgelehnt damit das bösartige Mantra der migrantischen Sündenböcke weitergebetet werden kann. Die Standesinitiative wurde heut überwiesen und wird in Bern verpuffen wie eine Petarde im Barragespiel des FC Aarau. Was bleibt ist das Narrativ der kriminellen Migrant*innen an den Grenzen. Sonst nichts. Und das war auch das Ziel. Das ist traurig. Himmeltraurig.  

Atomkraft? – Immer und immer und immer noch: Nein, danke!
Einmal mehr müssen wir längst geführte Debatten wieder aufnehmen und Errungenschaften chancenlos gegen die absolute Mehrheit von FDP, SVP und EDU verteidigen. Dabei müssen wir uns gar anhören, dass die Volksabstimmung von 2017 zur Energiestrategie 2050 mit dem Neubauverbot von Kernkraftwerken eine „Zwängerei“ sei. Bar jeder Vernunft drückt die Ratsrechte die Motion durch und beauftragt den Regierungsrat damit, alles in seiner Macht Stehende zu tun, damit im Kanton Aargau baldmöglichst ein neues AKW gebaut werden kann. Uns bleibt da nur zu wiederholen, was wir seit Jahren sagen: Neben dem grossen Sicherheitsrisiko von Kernkraftwerken und dem nach wie vor ungelösten Problem der Endlagerung radioaktiver Abfälle ist es auch wirtschaftlich völlig unsinnig, auf Kernkraft zu setzen. Ein Neubau eines AKWs würde im besten Fall 20 Jahre dauern und Unmengen kosten; dabei schreitet der Ausbau der erneuerbaren Energien zwar langsamer als gewünscht, aber sicher und erfolgreich voran. Setzen wir unsere Energien weiter in den Ausbau der nachhaltigen und sicheren Sonnen-, Wind- und Wasserkraft!

Ein Lichtblick für Familien unterirdischer Unterkünfte
Die Zukunft für die kantonale Unterkunft in Oftringen ist geebnet. Der rechtskonservative Grossrat hat den Nachtragskredit gesprochen – eine Wohltat in dieser schwierigen Legislatur! Das Projekt ist eine pragmatische, menschenwürdige Lösung. Ein Modulbau. Eine Unterkunft für 150 Menschen. Ein Teil der Familien, die im Aargau bislang unterirdisch untergebracht werden, soll in Oftringen leben können. Der Kanton übernimmt den Betrieb und die Betreuung der geflüchteten Menschen. Die SP fordert eine professionelle Betreuung der geflüchteten Menschen – Tag und Nacht.

Wenn Bildung zur Glaubensfragen verkommt: Willkommen im Aargau
Führungsstrukturen, unzureichende Unterstützung für Schulleitungen, Schulsozialarbeit, Digitalisierung, fehlende Chancengleichheit beim Schulraumbau, Sportförderung, adäquate Unterstützung für Kinder mit Behinderungen, eine gerechte Verteilung der Swisslos-Fonds und natürlich integrative Schulformen – ein bunter Strauss an Bildungsfragen.

Die Reform der Führungsstrukturen der Aargauer Volksschulen überträgt seit 2022 die strategische Führung von der Schulpflege an den Gemeinderat. Die Erfahrungen zeigen: Die neuen Strukturen funktionieren, aber es gibt auch Handlungsbedarf – z. B. bei der zusätzlichen Unterstützung der Schulleiter*innen. Und die nicht geregelten Ressourcen für die Schulverwaltung und die Schulsozialarbeit führen zu kommunalen Unterschieden. Es ist den Gemeinden überlassen, wie viele Ressourcen dafür eingesetzt werden und wie viel Arbeit von den Schulleitungen und Lehrpersonen aufgefangen werden muss. Zeit, die für die Schüler*innen fehlt. Chancengleichheit an Aargauer Schulen wird damit sicher nicht erreicht. Und immer wieder: eine ideologisch geführte Debatte über die integrative Schulform – eine Glaubensfrage. Fakten sind dabei bei den Rechtsbürgerlichen nicht gefragt. Selbst ein Postulat, welches die Prüfung der Optimierung und Weiterentwicklung der integrativen Schulform in der Volksschule Aargau will, wird bekämpft. Man will nicht einmal wissen, wo die Probleme liegen und welche Lösungen es gäbe.

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